Süddeutsche Zeitung

Kunst:Kostbares und Kurioses

Lesezeit: 3 min

Die Ausstellung "Schätze schauen" im Museum Starnberger See ist wieder geöffnet - unter Auflagen

Von Katja Sebald, Starnberg

Nur einen Tag lang war die Ausstellung "Schätze schauen" zu sehen, bevor auch das Museum Starnberger See schließen musste. Wenn sie von diesem Dienstag an wieder eröffnet ist, soll sie nach dem Wunsch von Museumsleiter Benjamin Tillig ein Ort sein, an dem man sich keine Sorgen wegen Corona machen muss: "Wir öffnen das Museum ganz behutsam und versuchen, durch Einschränkungen Freiheiten zu schaffen", sagt er.

Für die Sonderausstellung werden deshalb zur Besichtigung - vorab am Telefon oder an Ort und Stelle mit Wartezeit - Exklusivtermine im Halbstundentakt vergeben: Im festgelegten Zeitraum kann man sich ohne Schutzmaske frei in den Räumen bewegen, danach werden Handläufe und andere Berührungspunkte desinfiziert, bevor die nächste Besuchergruppe eingelassen wird. Maximal fünf Personen, von denen eine nicht im selben Haushalt leben muss, werden zugelassen. Ebenso wird für die Besichtigung des historischen Lochmannhauses verfahren, wo man in den engen Räumen schlecht Abstand halten kann. Die Dauerausstellung hingegen kann ohne Voranmeldung, dafür mit Schutzmaske und unter den üblichen Abstandsauflagen, besichtigt werden.

Tillig, der in Köln Medienkunst und Medienwissenschaft studierte, ist seit einem Jahr Leiter des ehemaligen Starnberger "Heimatmuseums", für dessen Umgestaltung er große Pläne hat. Die aktuelle Ausstellung liegt im besonders am Herzen, befasst sie sich doch mit dem Museum selbst und mit den Dingen, die sich im Lauf von mehr als hundert Jahren in seinem Depot angesammelt haben. "Schätze schauen" basiert auf dem zunächst sehr simplen Prinzip, dass man Geschichte am besten in Geschichten erzählt - und dass die Dinge selbst bessere Geschichten erzählen als alle Beschriftungen und Texttafeln.

Viele der "Schätze", mit denen nun das Museum seine eigene Geschichte erzählt, wurden kaum oder noch nie gezeigt. Manche waren so gut wie vergessen, und bei manchen muss man sich fragen, warum sie es überhaupt in ein Museum geschafft haben. Das gilt zum Beispiel für zwei kaum handgroße Figürchen, einen Mops aus Porzellan und einen Keramikvogel. Die Inventarnummern 328 und 329 lassen darauf schließen, dass sie schon sehr früh in die Sammlung kamen. Wann genau der Mops seine Ohren und seine linke Vorderpfote verloren hat und warum der Vogel, der keinen Schnabel und keine Schwanzfedern mehr hat, nicht einfach entsorgt wurde, weiß längst niemand mehr. Auch der sagenumwobene Dolch, mit dem sich angeblich der Hofsänger und Gastwirt Giuseppe Leoni das Leben nahm, gehört wohl eher zu den Kuriosa dieser Ausstellung.

Im Depot seines Museums stieß Tillig auch auf so wundersame Dinge wie die Standarte des Starnberger Radfahrerclubs von 1898, den Zweispitz einer Oberpostmeisteruniform aus der Prinzregentenzeit, den Stiefel eines Bootsbauers samt Stiefelleisten, ein funktionstüchtiges Nebelhorn und einen Faltglobus aus Papier von 1831, der mittels einer in der beiliegenden Anleitung beschriebenen "Patentbewegung" aufgeblasen werden kann. Es fanden sich aber auch so kunst- und wertvolle Objekte wie die drei Figuren aus Nymphenburger Porzellan nach Modellen von Franz Anton Bustelli, eine Votivtafel aus dem Jahr 1704 mit der Darstellung der drei Beten Einbeth, Warbeth und Wilbeth oder ein von Adolf von Hildebrand, einem der wichtigsten deutschen Bildhauer seiner Zeit, gefertigtes Gipsrelief.

Im Außenbereich steht eine Installation von Tim Bennett.

Alte und verschlissene Damenschuhe

Ebenso die Skier - aus einer vergangenen Zeit

Zwischen den wild-zusammengewürfelten Antiquitäten ruht ein Faltboot.

Das Schwarz-Weiß-Bild zeigt den letzten Bewohner des Lochmannhauses.

Präsentiert werden all diese Schätze auf und unter einer riesigen schiefen Ebene, die in den Ausstellungsraum eingespannt wurde und ihn in eine helle Schaufläche und eine dunkle "Rumpelkammer" teilt. Der Besucher steht staunend vor einem überbordenden Sammelsurium der merkwürdigen Kostbarkeiten und köstlichen Merkwürdigkeiten. Es gibt weit und breit keine Lehr-, Schau- und Zeittafeln, man darf einfach nur schauen und entdecken. Was diese Ausstellung vermitteln will, verrät sie in sparsamen Texten zur Geschichte des Sammelns von der Vorratshaltung über die Tempelschätze, von den Kunst- und Wunderkammern der Renaissance bis zum bürgerlichen Museum des 19. Jahrhunderts.

Es ist jedoch nicht nur der ungewöhnliche Blick in den "Bauch" des Museums, der den Reiz dieser Schau ausmacht, es ist auch der Seitenblick aus der Perspektive der Kunst: Im ersten Raum der Ausstellung wird noch einmal der weltberühmte Film "Der Lauf der Dinge" des Schweizer Künstlerduos Fischli & Weiß gezeigt, und noch vor dem Betreten des Gebäudes begegnet der Besucher den "Trophies" des britischen Künstlers Tim Bennett: drei weiße Metallsäulen, die vielleicht an Kriegsbeute, Spolien und Abbruchhäuser erinnern könnten - vielleicht aber auch an seltsame Fabelwesen, die sich auf den Weg ins Museum gemacht haben.

"Schätze schauen": bis Januar 2021, dienstags bis sonntags sowie an allen Feiertagen. Alle Veranstaltungen des Rahmenprogramms sollen im Herbst nachgeholt werden. Sobald es wieder erlaubt ist, wird auch das Museumscafé wieder öffnen - es wird nach einem Umbau größer und schöner sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4904474
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.05.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.