Süddeutsche Zeitung

Konzert:Von den "Ramones" bis zum "Isarmärchen"

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Wo Punkrockerin Sheena auf Liesl Karlstadt trifft: Das bayerisch-japanische Duo "Coconami" zeigt in Herrsching, wie sich Gassenhauer und Filmmusik kunstfertig auf das Wesentliche reduzieren lassen

Von Armin Greune, Herrsching

Wenn Nami Kashiwagi und Mitsuyoshi Miyajima auf der Bühne stehen, stellt sich automatisch der Begriff "Kleinkunst" ein: Coconami präsentieren mit vermeintlich geringem Aufwand kurze Liedchen in minimalistischen Arrangements. Selbst die Instrumente stammen nicht aus dem Musikalienhandel sondern eher aus der Kinderspielzeug-Abteilung. Am liebsten aber zupft Miyaji die vier Saiten eines selbstgezimmerten Geräts, dessen Resonanzkörper vormals edle Havanna-Zigarren beherbergt hat. Dazu singt Nami mit wundervoll klarer und wohltuend warmer Simme auf Deutsch, Englisch, Italienisch und "Japanisch" ("schluckischlucki Saufmawassi"). Wer mit Kleinkunst eine latente Abwertung verbindet, wird eines Besseren belehrt: Wie Coconami Musik auf ihren Kern reduziert und sie in neuem Kontext stellt, ist tatsächlich große Kunst.

Nami und Miyaji haben sich vor 15 Jahren in München musikalisch gefunden, wo die in Japan klassisch ausgebildete Sängerin Musiktherapeutin werden wollte. Ihn zog es als eigentlich nach Bayern, um das Bäckerhandwerk zu erlernen - aber Miyaji griff dann doch nicht zum Knethaken sondern zur Ukulele. Schon 2010 wurden Coconami mit dem AZ-Stern des Jahres ausgezeichnet, 2019 mit dem Kulturpreis Bayern. Dazwischen lieferten sie zu vier Doris Dörrie-Filmen die Soundtracks und waren für den Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert. Im großen Zoo der Popmusik gehören sie ins Streichelgehege. Die liebenswerten Bewohner dort stammen aus aller Welt, sogar ein Baby-Elefant ist darunter. Coconami verstehen es, die Kreaturen dem Publikum hautnah zu vermitteln. Sie zähmen Punk-Rock, Westernmelodien und Heimatschnulzen, befreien sie von allem unnötigen Gewand, um sie dann nur mit dem Nötigsten neu zu bekleiden.

"Wir machen eine musikalische Weltreise, verkündet Nami programmatisch zu Beginn des "Räsonanz"-Konzerts am Samstagabend. Doch vor allem steht das Heimkommen im Blickpunkt: "Am allerschönsten ist es doch zuhaus'", heißt es etwa in "Wer kennt den Weg", der deutschen Version von Johnny Cashs "I Walk the Line". Coconami bekennen sich zur bayerischen Bodenständigkeit und haben nicht nur "Isarmärchen" und Liesl Karlstadt in ihr Repertoire aufgenommen, sondern auch neuere Töne aus Weilheim oder Oberammergau. Am besten kommen im Herrschinger "Seehof" die von Richard Oehmann ( Cafè Unterzucker) getexteten, selbst vertonten Lieder an: "Aale" oder "Senioren der Sonne" reizen mit ihren absurden, subtil boshaften Texten alle zum Lachen. Kofelgschroas "Wäsche" passt perfekt dazu, schließlich wird diese seelenverwandte Combo wie Coconami und Cafè Unterzucker vom famosen Münchner Trikont-Label kuratiert.

Dazu gibt es sehr originelle Versionen berühmter Filmmelodien von Ennio Morricone oder Henry Mancini ("Baby Elephant Walk") zu hören, den Celentano-Song "Il ragazzo della via Gluck", Punkklassiker der Ramones oder "Schön von hinten" von Stereo Total. Dabei kommen Ukulele, diverse Melodicas, Blechtrommel, Kalimba, Nasenflöte, Waschbrett, Glockenspiel und Mundharmonika zum Einsatz; Gastmusiker Kentaro Hatacha besingt herrlich schräg die "Dicke Bäckerfrau". Coconami haben das große Talent, auch hehre Musik wieder auf ihre kindlichen Wurzeln zurückzuführen. Dabei verbreiten sie hemmungslos gute Laune und lassen - wie in Herrsching - ihr Publikum beseelt und beglückt zurück.

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SZ vom 16.11.2021
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