Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Eine Warnung

Die Menschen sind bereit, auch für ein paar Bäume auf die Straße zu gehen. Das sollte den Entscheidern zu denken geben

Von David Costanzo

Passender als zum "Tag des Waldes" am 21. März hätte der Bürgerentscheid um den Supermarkt in Wörthsee nicht angesetzt werden können, unpassender als zum "Tag des Waldes" hätte das Ergebnis nicht ausfallen können. Die Wörthseer lassen Bäume auf 2000 Quadratmetern abholzen für einen fußläufigen Laden, wenige Appartements und Parkplätze. Das mag in diesem Fall bequem, verkraftbar und verknüpft mit der neuen Ortsmitte und 60 Genossenschaftswohnungen in der Nachbarschaft auch vernünftig sein, schade um Baum und Boden ist es allemal. Die Naturschützer haben dieses Kräftemessen verloren, doch ihr Einsatz sollte allen Asphaltierern und Betonierern im Landkreis eine Warnung sein.

Die Bürgerinitiative hat es kurzfristig mit einer riesigen Mehrheit im Gemeinderat aufgenommen. Hat eine jahrelang unangefochtene Planung hinterfragt und einen Achtungserfolg erzielt. Die Menschen sind also selbst für ein paar Bäume und eine vergleichsweise kleine zu betonierende Fläche bereit, auf die Straße zu gehen, Unterschriften zu sammeln, den halben Ort und den ganzen Gemeinderat aufzuscheuchen - und das, obwohl so ein Supermarkt für viele eine recht bequeme Sache darstellt. Wie mag das aussehen, wenn nicht wie in Wörthsee 2000 Quadratmeter zur Rodung anstehen, sondern laut Bund Naturschutz 53 000 Quadratmeter für das Starnberger Gewerbegebiet in Schorn - oder gar 300 000 Quadratmeter Bannwald für das Gautinger Projekt im Unterbrunner Holz? Rathäuser und Landratsamt werden die Pläne überzeugender erklären müssen, sonst könnte beim nächsten "Tag des Waldes" das Ergebnis anders ausfallen.

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Quelle:
SZ vom 22.03.2021
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