Süddeutsche Zeitung

Klassik:Triumph mit Vivaldi

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Das Vokalensemble Fünfseenland und die Capella München mit der jungen Solistin Catalina Pires in Wörthsee

Von Reinhard Palmer, Wörthsee

Nur fünf Monate nach der Aufführung von Cherubinis Oper "Médée" standen das Vokalensemble Fünfseenland und die Capella München - Ensemble für Alte Musik - unter der Leitung von Andreas Schlegel nun wieder gemeinsam auf der Bühne. Verständlich, dass sie sich nach so kurzer Zeit nicht gleich ein gewichtiges Oratorium vornehmen konnten. Dennoch erlebten die zahlreichen Zuhörer in der Kirche zum Hl. Abendmahl in Wörthsee ein festliches Vivaldi-Konzert, das mit seiner barocken Pracht entsprechend vorweihnachtlich stimmte.

Und das nicht nur mit vokalen Werken, zumal das kleine Orchester um den renommierten Geiger Dmitry Lepekhov - Mitglied der Hofkapelle München - durchaus symphonisch zupacken kann, erst recht wenn Schlegel am Pult beherzt und präzis anspornt. So gab es zwischen Magnificat und Gloria mit den beiden Jahreszeiten "Der Herbst" und "Der Winter" einen populären Einschub, der in diesem Fall verstärkte Aufmerksamkeit genoss. Der Grund war die Solistin, die erst 15-jährige deutsch-argentinische Geigerin Catalina Pires. Die gebürtige Starnbergerin hat eine außerordentliche Begabung sowohl an der Gitarre als auch an der Violine.

Seit 2016 ist sie Jungstudentin an der Münchner Musikhochschule, und zwar in der Violinklasse. Renaissancemusik interpretiert Catalina Pires gerne auf der spanischen Laute, sie greift bisweilen aber auch zur Flamencogitarre, der sie zudem lateinamerikanische Rhythmen entlockt. Rein spieltechnisch schien sie Vivaldis Virtuosität nicht besonders zu fordern. Catalina spielte ihren solistischen Part nicht nur bis ins Detail perfektionistisch und blitzsauber aus, sondern brillierte auch mit musikalischer Einfühlsamkeit und klangschöner Formbildung, der sie im Sinne der szenischen Bilder Vivaldis besonderen Nachdruck verlieh. Dass Catalina ihre Zuhörer unmittelbar anzusprechen vermag, ist ein enormes Potenzial, das ihr sofort auch viel Sympathie beim Publikum einbrachte und schließlich zum frenetischen Schlussapplaus führte.

Begonnen hatte das Konzert mit dem Magnificat (RV 610), in dem Andrea Jörg (Sopran) und Margarete Joswig (Alt) die solistischen Parts übernahmen. Deren Aussagen formulierte Vivaldi kurz und knapp. Er war ein Pragmatiker, der auch in diesem Magnificat ohne Umschweife zur Sache kam und sich nicht lange verkünstelte. Entscheidend daher, dass Jörg und Joswig die jeweilige Charakteristik zielsicher trafen und zwischen beherzter Erzählweise und lyrisch getragener Melodik schnell umzuschalten vermochten.

Sie vernachlässigten aber auch nicht die feinen Nuancen, etwa wenn eine Melodie sanft zu schwingen begann oder sich die atmosphärische Wärme dunkler färbte. Diese Feinheiten griff auch der Chor gewandt auf. Er nahm sich etwa im "Et misericordia eius" mysteriös zurück oder skandierte präzis und energisch im anschließenden "Fecit poentiam".

Im Gloria in D (RV 589) kam mit Trompete und Oboe strahlende Festlichkeit hinzu. Das von Schlegel straff geführte Vokalensemble Fünfseenland demonstrierte mit Echoeffekten seine Wendigkeit , beispielsweise im feierlichen "Gloria in excelsis deo" gleich zu Beginn. Was um so wirkungsvoller war, als der Chor in den Nachhall-Rücknahmen schön austariertes Kolorit bot. Viel Sorgfalt legte Schlegel auch in die dramaturgische Entwicklung der zwölf Werkteile, die bisweilen weite Bögen schlugen. Beispielsweise in "Et in terra pax", wo nicht nur die Stimmenverflechtungen sukzessiv dichter wurden und die Klangsubstanz zunahm, sondern sich auch die Farbigkeit immer reicher darstellte. Zielsicherheit war deshalb auch für den Chor wichtig, dessen Aufgabe Vivaldi bisweilen sehr rational definierte. Etwa mit einem straffen Spannungsaufbau in "Qui tollis peccata mundi", um der dramatischen Alt-Arie "Qui sedes ad dexteram patris" den Boden zu bereiten.

Wie Bach in seinem Weihnachtsoratorium, stellte auch Vivaldi manchen Arien ein Soloinstrument an die Seite. Besonders klangschön gerät stets die Kombination aus entrückt weitschweifender Oboe und dem lyrisch und schwebend dahinfließenden Sopran. Bei Vivaldi war es im Gloria das "Domine Deus" mit Jörgs sanft wogender schöner Melodik, das diese Wirkung entfaltete. Überaus schlüssig und homogen im Klang geriet der Dialog zwischen breit ausgesungener Alt-Phrase und dem strukturiert entgegnenden Chor in "Domine Deus, Agnus Dei". Eine Feinarbeit, die dem Konzert Kostbarkeit verlieh und vom Publikum mit viel Applaus honoriert wurde.

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SZ vom 06.12.2018
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