Süddeutsche Zeitung

Kabarett in Tutzing:Mit "Nasenschmutz" unter "Hyäne"

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Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber ist auch im neuen Parodie-Potpourri "Geh zu, bleib da" von Wolfgang Krebs die Paradenummer.

Von Gerhard Summer, Tutzing

In der Donau schwimmen wieder Delfine, ein Kaff mit unverschämt langem Namen hat erfreulicherweise das Ganzjahresbierzelt eingeführt. Aber ansonsten ist die Lage ernst, Freunde, im Land und auf dem Land. Also in Hausratswolfen, Untergamskobenzeißgrubengernhaferlverdimmering und in Tutzing. Obwohl, in dieser Politischen Akademie kann man's schon aushalten. "Die haben einen eigenen Badesteg, wussten Sie das?" Und außerdem ein tolles Team: Wenn man die Direktorin Ursula Münch, ihren Mitarbeiter Schröder und die anderen Brasilianer so sitzen sieht in der ersten Reihe, dann muss einem nicht mehr bange sein, oder?

Ja, so redet nur einer: Wolfgang Krebs als drolliger rhetorischer Anarchist Edmund Stoiber. Der Ex-Ministerpräsident vermasselt wieder hemmungslos alles, was Buchstaben hat. Verknotet Sätze ineinander. Verschluckt das Wörtchen SPD fast unhörbar. Sticht mit dem linken Zeigefinger Löcher in die Luft. Stellt fiebernde Leute unter "Hyäne", faselt vom "Nasenschmutz", will aus der "Hysterie" lernen, also mehr noch aus der Historie. Und ist auch in Krebs' neuem Programm mit dem absurden, aber bayerisch korrekten Titel "Geh zu, bleib da" die Paradenummer. Das restliche Personal hinkt da hinterher, so gut es rein optisch und stimmlich getroffen ist. Am ehesten kommt noch der von sich selbst besoffene Markus Söder an Stoiber heran, weil ihm Krebs ein paar fiese Züge mitgibt. Hubert Aiwanger, der Freund der heiteren Bauernregeln ("Is dein Leben dir zu blass, dann iss eine Ananas"), ist fast schon zu original. Horst Seehofer besticht vor allem durch sein rostiges Gießkannen-Lachen. Und Joachim Herrmann ist reduziert auf Schneckentempo und Ähs.

"Geh zu, bleib da" hat eine Art Rahmenhandlung. Es geht um die Landflucht, also darum dass die Jugend in die Welt hinaus will, auf der Suche nach Internet und U-Bahn, und die hochprozentige Gegenstrategie, die Schorsch Scheberl, Vorsitzender aller 30 Vereine in Untergamskobenzeißgrubengernhaferlverdimmering, ersonnen hat. Zwischendrin gibt es noch Krebs' Traum von der Talkshow des großen Joachim Gauck mit fünf Gästen, wenn man Inge Meysel dazu rechnet, und eine Art Werkstattbericht. Krebs erzählt dann im mit Abstand besetzten Auditorium der Tutzinger Akademie, dass ihn seine Parodieopfer durchaus schätzen, ja dass ihn Stoiber sogar zum Tee eingeladen hat.

Das ist alles sehr lustig, sogar die Werbeeinblendungen der Scheberl-Holding, mit denen Krebs die Umkleidepausen überbrückt, sind irgendwie heiter. Mit bissigem Kabarett hat das natürlich wenig zu tun. Krebs reißt keinem die Maske vom Gesicht, noch dazu in Corona-Zeiten, allenfalls Söder hängt sie schief zwischen den Ohren. Dazu ist die multiple Persönlichkeit Krebs ja viel zu sehr Menschenfreund.

Aber das muss auch nicht sein: "Geh zu, bleib da" ist ein sehr unterhaltsames, in Tutzing heftig beklatschtes Parodie-Potpourri, mit ein paar alten Delfin- und Jahresbierzeltgags zwar, aber dafür mit feinen Improvisationen. Stoiber, der Mann vom anderen Ufer ("Ich bin übers Wasser gelaufen"), redet nämlich über weite Strecken aus dem Stegreif. Warum übrigens Präsident Donald Trump noch gesund ist? "Ich denk mir", sagt Stoiber-Krebs , "das Virus hat seinen Stolz".

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SZ vom 27.07.2020
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