Süddeutsche Zeitung

Holzhandel:Das Ende der Fichte

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Der Borkenkäfer breitet sich derzeit rapide im Fünfseenland aus. Der Landkreis hat damit als einziges Gebiet in Oberbayern die höchste Gefährdungsstufe erreicht. Die Förster beschwören daher den schnellen Umbau der Wälder

Von Armin Greune, Starnberg

Die Förster sind alarmiert: In den vergangenen Wochen hat sich der Borkenkäfer im Fünfseenland rapide ausgebreitet. Deshalb werden im Moment nahezu pausenlos befallene Fichtenstämme gefällt und abgefahren. Der Staatsforstbetrieb München etwa hat in den Revieren Gauting, Erling, Baierbrunn und Maxhof insgesamt fünf Harvester im Einsatz, die ausschließlich Käferholz aufarbeiten. In den Privatwäldern sieht die Situation zum Teil noch kritischer aus, obwohl auch dort viele Forstunternehmer rund um die Uhr mit Einschlag und Abtransport der Bäume beschäftigt sind.

Bei den Käferschäden zeichnet sich ein klares Nord-Süd-Gefälle ab. Allein im Privatwald zwischen Gauting, Gilching und Perchting fallen heuer mehr als 10 000 Festmeter Schadholz an, schätzt Revierförster Franz Jäger: Das sei ein Vielfaches der Holzmenge, die dort in einem Jahr regulär geerntet wird. Besonders arg sei die Situation im Waldort "Hinter der Gmoa" bei Gilching: "Dort sind ganze Hektar betroffen", sagt Jäger. Aber ein 1000 Quadratmeter großes "Käferloch" im Bestand findet sich auch nahe der Umfahrungstrasse bei Perchting. "Ich denke dass etwa 10 Hektar Fichtenwald verschwinden werden, darunter viele stattliche, bis zu 100 Jahre alte Bäume." Das sei freilich "mehr oder weniger absehbar gewesen", erklärt Jäger, denn auf den flachgründigen Böden der Münchner Schotterebene seien die Tage der Fichten wohl gezählt. "Inzwischen sehen's auch die Waldbesitzer ein", was vielen nicht leicht gefallen sei, sagt er. Schließlich gilt die Fichte als klassische "Brotbaumart", die bei relativ geringem Aufwand sicheren Ertrag liefert. Aber ihr hoher Wasserbedarf lässt sich dort, wo der Regen rasch durchs poröse Gestein sickert, nicht mehr decken. Die durch Trockenstress geschwächten Bäume werden bevorzugt vom Käfer befallen. Oder die auch als Buchdrucker bekannten Insekten besiedeln Stämme, die von Stürmen umgeworfen wurden, Fichten sind auch dafür als Flachwurzler besonders anfällig.

"In der Schotterebene müsste es für die Fichte alle drei Wochen kräftig regnen", sagt auch Wilhelm Seerieder, der den Staatsforstbetrieb München leitet. Mit dem Klimawandel aber treten längere Trockenphasen häufiger ein: "Deshalb treiben wir den Umbau der Bestände seit Jahren voran." Angesichts des aktuellen, massiven Befalls ist der gesamte Bereich des Staatsfortsbetriebs, der von Grafrath bis in den südlichen Landkreis Ebersberg reicht, ist in 54 Suchbezirke eingeteilt, wo Förster befallene Bäume markieren. Das geerntete Käferholz wird derzeit nicht zu Sägewerken, sondern zu zwei Lagerplätzen bei Höhenkirchen und Taufkirchen gefahren - weil die Wege kürzer sind und der Transport schneller geht. Dort sind Kapazitäten für 85 000 Festmeter Käferholz vorhanden.

Im Süden des Fünfseenlandes habe sich hingegen die Situation im Staatswald entspannt, sagt Seerieder: Im Revier Erling und auch an den Wadlhäuser Gräben bremsen ergiebigere Niederschläge und gut wasserversorgte Böden den Vormarsch der Borkenkäfer. "Im Vergleich zum Vorjahr läuft die Entwicklung verzögert ab", bestätigt Revierförster Luitpold Schneider, der von Andechs aus Privat- und Genossenschaftswälder im südlichen Landkreis Starnberg betreut. Dennoch seien auch bei Frieding, Breitbrunn und Machtlfing neue Befallsherde zu finden. Schneiders in Starnberg stationierter Kollege Martin Springer war im Frühjahr noch zuversichtlich: "Es ging verhalten los, noch im Mai haben wir vergeblich nach Bohrmehlspuren der Käfer gesucht". Doch seit Anfang Juli sind plötzlich überall im Landkreis große Befallsnester zu finden. Auch Christian Gick, Förster bei der Waldbesitzervereinigung Starnberg, tut seit Wochen "nichts anderes mehr, als Borkenkäferbäume zu kennzeichnen".

Im Borkenkäfermonitoring der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) ist der Landkreis momentan das einzige Gebiet in Oberbayern, das mit akutem Befall in die höchste Gefährdungsstufe fällt. In diesen Tagen fliegt im Fünfseenland die zweite Käfergeneration aus, um unter der Rinde von Fichten ihre Eier abzulegen. LWF-Mitarbeiterin Cornelia Triebenbacher rechnet damit, dass sich 2018 - wie in den drei Jahren zuvor - noch eine dritte Generation Käferlarven komplett entwickelt. Das schaffe zwar "eine weiter angespannte Situation", ließe aber noch keine Katastrophe erwarten. Die tritt ein, wenn noch eine weitere Befallswelle durch die Wälder schwappt, bevor kürzere Tage und kühle Nächte die Ausbreitung der Borkenkäfer stoppen. Dass sich aber heuer noch eine vierte Generation in den Fichtenwäldern aufmacht, sei den Prognosen nach nicht zu befürchten, sagt Triebenbacher.

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Quelle:
SZ vom 06.08.2018
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