Süddeutsche Zeitung

Gilching:Digitalisierung und Handarbeit

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Das IHK-Gremium besucht die Gilchinger Firma Torqeedo, Weltmarktführer für elektrische Bootsantriebe

Von Otto Fritscher, Gilching

Auch der Chef eines Unternehmens, das sich mit Fug und Recht "Weltmarktführer" nennt, darf nicht nur in großen Maßstäben denken. Oft brauchen vermeintlich kleine Dinge innovative Lösungen, wie Christoph Ballin weiß. Der Gründer und Geschäftsführer von Torqeedo, der Firma, die in Gilching elektrische Bootsantriebe entwickelt und produziert, berichtete davon den Besuchern einer Veranstaltung des IHK-Gremiums Starnberg. Jedes Boot hat einen Gashebel - "und dieser muss mindestens 75 000 Mal nach vorne und hinten bewegt werden können, ohne dass er kaputt geht", erklärt Ballin den verdutzten Gästen. Eine Vorschrift aus den USA. "Also haben wir eine kleine Vorrichtung gebastelt, die das automatisch macht, statt einen chinesischen Praktikanten einzustellen", sagt Ballin, und hat die Lacher auf seiner Seite. Überhaupt ist es erstaunlich, in welche Marktlücken Torqeedo vorgestoßen ist. Da gibt es etwa den "Fishing Kajak", ein Exportschlager in die USA, ein Boot mit einem kleinen, leisen Elektromotor, das vor allem bei Anglern beliebt ist. Und natürlich hat Torqeedo auch richtig dicke Elektromotoren im Programm, die mit allem Drum und Dran schon mal 200 000 Euro kosten - was bei einer Fünf-Million-Yacht allerdings nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Ballin hat die Firma vor gut zehn Jahren in Starnberg gegründet, vor kurzem ist sie an die Deutz AG verkauft worden. "Wir bleiben aber ein selbständiges Tochterunternehmen", sagt Ballin.

Dann geht es um die Zukunft der Arbeit. IHK-Gremiums-Chef Martin Eickelschulte, selbst IT-Unternehmer, ist wie die meisten anderen Referenten überzeugt, dass vor allem die Digitalisierung weitere Umwälzungen der Arbeitswelt mit sich bringen wird. "Für die nächste Generation, die in den Beruf reinwächst, sind Smartphone, Tablets und das Netz ganz selbstverständlich, sie ist damit aufgewachsen", erklärt Eickelschulte. Darauf ging auch Kay Mantzel von Microsoft Deutschland in seinem Vortrag mit dem Motto "Work. Life. Flow. Arbeitsplatzsouveränität als Treiber von Innovation" ein. Eickelschulte formulierte es einfacher: "Für junge Leute ist die Karriereleiter nicht mehr so wichtig. Sie wollen eine sinnvolle Arbeit, und sie achten dabei auf die Balance von Arbeit und Freizeit."

Mit dabei ist auch Michael Kießling (CSU). Der neue Bundestagsabgeordnete für den hiesigen Stimmkreis plaudert aus Berlin. "Die Sondierungsgespräche sind schon spannend", sagt er am Rand der Tagung. Seiner Meinung nach gibt es bei dabei "zwei Knackpunkte": den Klimaschutz und die Migration. Dennoch beurteilt er die Chancen für das Gelingen einer Jamaika-Koalition auf "höher als 50 Prozent". Er selbst will sich besonders um die Themen Verkehr, Infrastruktur und Digitales kümmern. Die Digitalisierung in der Arbeitswelt bringt nach Kießlings Meinung mehr Chancen als Gefahren. Und er sieht sich selbst auf der Höhe der Zeit. "Schließlich habe ich lange Jahre in einer IT-Firma gearbeitet. Und so hatten wir natürlich in Denklingen, wo ich Bürgermeister war, ein elektronisches Dokumentenmanagement."

Was war in den ersten Wochen in Berlin für den Bundestags-Neuling am schwierigsten? Kießling denkt kurz nach und sagt dann: "Das Zusammenschrauben der Möbel, die ich bei Ikea gekauft habe." Manchmal ist eben die gute, alte Handarbeit gefragt.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2017
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