Süddeutsche Zeitung

Jugendgericht Starnberg:Halbnacktem Mann auf dem Gleis ins Gesicht geschlagen

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19-jähriger Fahrgast ist erbost, weil die Person am Silvesterabend die Weiterfahrt der S-Bahn in Stockdorf blockiert hat.

Von Christian Deussing, Starnberg

Ein psychisch kranker Mann aus Krailling hat sich am Silvesterabend 2021 mit nacktem Oberkörper gegen 19.40 Uhr am Bahnhof Stockdorf aufs Gleis gestellt und somit für etwa 45 Minuten die Weiterfahrt der S-Bahn in Richtung Starnberg verhindert. Diese Blockade hatte einen 19-jährigen Fahrgast so verärgert, dass er zu dem 44-jährigen Mann ins Gleisbett stieg und ihn laut Anklage mit der Faust ins Gesicht schlug. Zuvor habe der Angeklagte, der in Taufkirchen wohnt, den Blockierer als "Hurensohn, Bastard und Wichser" beleidigt. Der Mechaniker wurde am Donnerstag vom Jugendgericht Starnberg wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu fünf Beratungsgesprächen in einem Jugendhilfe-Verein verurteilt. Der zuvor unbescholtene Angeklagte muss zudem wegen seiner Attacke auf den erkennbar hilflosen Mann 200 Euro zahlen.

"Es tut mir leid, was passiert ist. Das war sehr dumm von mir", sagte der Beschuldigte, der damals laut Alkotest mit 0,7 Promille im Zug unterwegs war und mit vier Kumpels zu einer nächsten Party am Starnberger See fahren wollte. Der heute 20-Jährige zeigte sich im Prozess zwar reumütig, versuchte aber sein Verhalten im Gleisbett als Notwehr darzustellen. Er habe mit dem Mann, der mit dem Rücken zu ihm gestanden habe, reden wollen und ihn nicht beleidigt, behauptete der schlaksige Mechaniker. "Dann hat er nach mir geschlagen, ich konnte aber seiner Faust ausweichen." Im Affekt habe er dem Mann auf dem Gleis eine "Watschn" ins Gesicht verpasst. Angeblich soll der 44-Jährige auch mit Steinen auf die jugendliche Gruppe geworfen haben.

Der "Klatscher" sei von weitem zu hören gewesen, berichtet ein Zeuge

Allerdings schilderte ein Zeuge aus Stockdorf den Vorfall am Silvesterabend ganz anders. Demnach habe der Angeklagte wohl mit der flachen Hand dem Mann einen "Klatscher" verabreicht, der sogar von weitem zu hören gewesen sei, berichtete der Jurist. Die halbnackte Person habe sich defensiv verhalten, sich überhaupt nicht bewegt und sei dann in die Büsche geflohen. Diese Aussagen wertete das Gericht als glaubhaft und stimmig. Somit habe nicht der 44-Jährige, sondern der Angeklagte sich drohend aufgebaut und zugeschlagen. Solche Attacken würden im Jugendrecht normalerweise mit Arrest geahndet, erklärte der Richter. Andererseits gehe er hier von einem Vorfall aus, der nicht mehr passieren werde. Denn die Jugendgerichthilfe hatte auf die seinerzeit familiär bedingt psychisch schwere Lebensphase des Angeklagten hingewiesen, der zuvor nicht durch aggressives Verhalten aufgefallen sei. Der Verteidiger sprach von einem "einmaligen Ausrutscher".

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