Süddeutsche Zeitung

Schöffengericht:Als die Polizei kam, war der Gautinger erleichtert

Lesezeit: 2 min

Kaufmann wird wegen Besitzes und Verbreitung von kinder- und jugendpornografischer Dateien zu 22 Monaten Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

Von Christian Deussing, Gauting

Als vor zwei Jahren morgens die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss vor seiner Tür stand, wusste der Gautinger, dass das Spiel aus ist. Die Ermittler stellten Datenträger mit externen Festplatten und eine Smartwatch sicher und werteten mit Hilfe eines digitalen Forensikers die Geräte aus. Sie entdeckten 5100 kinder-und jugendpornografische Bilder und fast 3000 Videodateien mit einer Laufzeit von 542 Stunden. Laut Anklage waren darauf auch sexuelle Gewalttaten mit Säuglingen und Kleinkindern zu sehen. Zudem warf die Staatsanwältin dem 36-jährigen Angeklagten vor, im Herbst 2017 in einer öffentlichen Toilette sieben Jungen heimlich mit seiner Smartwatch beim Urinieren gefilmt und damit deren "höchstpersönlichen Lebensbereich durch Bildaufnahmen verletzt" zu haben. Der Kaufmann gestand am Dienstag vor dem Schöffengericht Starnberg die Taten.

Er räumte auch ein, die verbotenen Bilder und Videos an 219 Tagen über eine Tauschbörse heruntergeladen und über ein Programm weiter verbreitet zu haben. Das Gericht verurteilte den reumütigen und bisher unbescholtenen Mann zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung und folgte damit dem Antrag der Staatsanwältin. Zudem muss der Angeklagte 3000 Euro an den Kinderschutzbund und an den Verein "Glücksmomente" zahlen, der Geschenke an schwerkranke Kinder verteilt. Der 36-Jährige darf auch nicht seine Therapie bei einem Psychologen abbrechen und muss sich von einer Fachdienststelle für Sexualstraftäter ambulant begutachten lassen. Der Gautinger akzeptierte das Urteil und die Auflagen.

Er mache eigentlich einen ganz ruhigen und vernünftigen Eindruck im Prozess und habe sich den Ermittler gegenüber früh geständig gezeigt, befand das Gericht. Aber wie passe dies mit dieser großen Menge an Bildern und Filmen "schlimmsten sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen, Kindern und sogar Säuglingen" zusammen?, fragte sich Richter Franz von Hunoltstein. Überdies sei herausgekommen, dass der Angeklagte auf Spielplätzen fremde Kinder und von seinem Balkon aus etwa zwölf Jahre alte Mädchen in Bikinis heimlich fotografiert habe.

Er hatte Bilder und Filme schlimmsten sexuellen Missbrauchs gesammelt

Auf Nachfrage verneinte der ledige Kaufmann, pädophil veranlagt zu sein - was auch sein Therapeut nach den ersten Sitzungen bestätigt habe. "Ich musste zehn Jahre lang meinen schwerkranken Vater pflegen, war im totalen Stress und brauchte ein Ventil", erklärte der angeklagte Mann, der sich für seine pornografischen Straftaten schämte. Zudem sei er frustriert gewesen, keine Partnerin gefunden zu haben. Er sei damals erleichtert gewesen und habe sich fast wie befreit gefühlt, als die Polizei bei ihm aufgetaucht sei. Das bestätigte ein Kriopbeamter in der Verhandlung insofern, als er sagt: Der Verdächtige habe gefasst reagiert, als die Sache aufflog.

Zum Schluss war der Angeklagte vor allem erleichtert, jetzt nicht ins Gefängnis zu müssen. Davor habe ihn sein Wille bewahrt, eine Therapie zu machen, betonte der Richter.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5673175
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.