Süddeutsche Zeitung

Gauting:Jagen und gejagt werden

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In der Gautinger Bücherei sind künftig regelmäßig Spieleabende geplant. Zur Auftaktrunde kommen nur wenige Interessierte - doch die sind begeistert

Von Blanche Mamer, Gauting

Es gibt sie noch, die Menschen, die gerne zu viert oder mehr um einen Tisch herum sitzen, mit gerunzelter Stirn, den Blick fest auf das Brettspiel vor ihnen geheftet, schwer nachdenklich. Trotz Computerspielen und Smart-Phone-Action sind herkömmliche Gesellschaftsspiele immer noch sehr gefragt. Die vier jungen Männer, die sich in der Gautinger Bücherei zum Spieleabend treffen, sind erfahrene und passionierte Spieler. Eigentlich hatten sich ein paar weitere Gautinger angemeldet, berichtet Antonio Franzese, Mitarbeiter der Bücherei, der den Abend organisiert hat. Doch es ist ein so lauer Abend, der erste dieses Sommers, und so bleibt es bei der kleinen Runde am weit geöffneten Fenster.

"Ein Mann hat mich angerufen und gesagt, er wolle Schafkopf spielen, und nur Schafkopf. Ich kenne das Spiel nicht, ich weiß, es ist ein bayerisches Kartenspiel für vier Personen. Er hat dann gleich abgesagt", erzählt Sebastien Masclet, der im Umweltzentrum Öko&Fair Spieleabende anbietet und nun auch beim Pilotprojekt in der Bibliothek dabei ist. Dass er nicht schafkopfen kann, erklärt sich daraus, dass er Franzose ist und erst seit vier Jahren in Gauting lebt. Irgendwann wird er es wohl lernen, spätestens dann, wenn es seine Kinder, zehn und zwölf Jahre alt, spielen. In Frankreich erzählt er, seien Brettspiele viel populärer. In jeder Kleinstadt gebe es mindestens ein Geschäft, das nur Gesellschaftsspiele anbiete. Er hat etwa zehn verschiedene Schachteln mit Spielen dabei, nur ein kleiner Teil seiner Sammlung. Allein von "Dominion", einem Kartenspiel mit zahlreichen Variationen, Spiel des Jahres 2009, hat er vier Boxen mit 500 Karten. Sein Lieblingsspiel sei "Go" erzählt er, ein chinesisches Strategiespiel für zwei Personen mit 181 schwarzen und 180 weißen Steinen. "Viel zu schwer für so eine Kennenlernrunde!"

Die Entscheidung, welches Spiel als erstes ausprobiert wird, fällt schnell. Ein älteres Spiel: "Scotland Yard", Spiel des Jahres 1983. Der Reiz dabei: Zwei der Teilnehmer kennen die Regeln nicht. Einer von ihnen, der Pädagogikstudent Bernhard Rudel, spielt Mr. X, den Bösewicht, der sich irgendwo im Gewirr der Straßen von London-City versteckt. Seine Position ist geheim, damit man nicht erkennt, wohin seine Augen schweifen, trägt er einen Stirnschirm. Er muss jedoch alle vier bis fünf Runden auftauchen, damit ihn die Detektive von Scotland Yard ins Visier nehmen und einkreisen können. Sie jagen ihn per Taxi, Bus oder U-Bahn und müssen sich ständig überlegen, wie sie sich dem Bösewicht in den Weg stellen können. Rudel, der seit 2012 in Gauting lebt, jobbt in der Bücherei und so war es keine Frage, dass er beim ersten Spieleabend mitmacht. Er liebt Strategiespiele und schlägt sich tapfer. Doch irgendwann wird er erwischt und es bleibt Zeit für ein weiteres Spiel. Die Wahl fällt auf "Dominion", ein friedliches Spiel, wie Masclet erklärt, auch wenn es um die Erweiterung des Reiches der einzelnen Spieler gehe

Vierter in der Runde ist Dominik Schweiger. Er ist ein echter Neubürger, seit Februar lebt er in der Würmtalgemeinde und sieht das gemeinsame Spielen als "Super- Gelegenheit", Leute kennen zu lernen. Er war bereits bei einem Spieleabend mit Masclet im Gautinger Umweltzentrum und freut sich über das zusätzliche Angebot. Von Herbst an soll es regelmäßig Spieleabende in der Bücherei geben.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2017
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