Süddeutsche Zeitung

Gauting:Für ein Taschengeld

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Kreative im Würmtal diskutieren über den Wert ihrer Arbeit

Von Annette Jäger, Gauting

Die Fakten müssten allen Kreativen und Kunstschaffenden die Ohren klingen lassen: Am Anfang jedes noch so erfolgreichen Unternehmens steht ein schöpferischer Akt, ein kreativer Impuls, der alles ins Rollen bringt. Der Einfluss der Kreativen entscheidet, ob eine Firma und eine ganze Region etwas Einzigartiges hat. Die Metropolregion München - ein Ring mit einem Durchmesser von 80 Kilometern um München - ist ein Nest dieser Kreativmotoren: 23 Milliarden Euro Umsatz im Jahr werden hier erwirtschaftet, so viel wie in anderen Bundesländern. Doch nun die Kehrseite: Nimmt man den einzelnen kreativ Arbeitenden ins Visier, zeigt sich ein weniger glänzendes Bild. Viele können von ihren guten Ideen kaum leben. Sie verbuchen weniger als 17 500 Euro Umsatz im Jahr.

Das war ein Fazit, das die Besucher aus der Veranstaltung "Kreativ und erfolgreich im Würmtal" in der Remise des Gautinger Schlossparks ziehen konnten. Für die meisten der anwesenden Designer, Grafiker, Musiker, Fotografen, Schauspieler, Maler, Illustratoren wird das keine neue Erkenntnis gewesen sein. Viele von ihnen sind freiberuflich arbeitende Einzelkämpfer und haben keine Lobby. Das ist einer der Gründe, warum die Wirtschaftsförderer der Würmtalgemeinden Gauting, Krailling, Planegg, Gräfelfing und Neuried in Zusammenarbeit mit der Stadt München und der Europäischen Metropolregion e.V. zu einem Treffen eingeladen hatten. Der Abend sollte die Würmtaler Kreativen zusammenführen, Vernetzung ermöglichen und Inspiration fördern.

Der Bedarf an kreativen Ideen ist groß - die Chance, Geld damit zu verdienen, ist in den vergangenen Jahren jedoch geringer geworden. Es mangelt oft an "ästhetischer Bildung, hielt die Gautinger Künstlerin Rosemarie Zacher fest, die zusammen mit fünf anderen Kreativen auf das Podium geladen war. Der Wert eines Bildes, eines Textes, eines Fotos werde oft verkannt. Ein Musiker wird für eine Veranstaltung gebucht, als Honorar wird ihm ein interessantes Publikum geboten, Freibier und ein freies Mahl am Büfett. Bestätigt wurde dies postwendend vom Planegger Bürgermeister Heinrich Hofmann: Den auf das Podium geladenen Rockmusiker Franz Mang, der unter dem Künstlernamen Robespierre auftritt, hätte er gerne zum Planegger Open Air auf dem Marktplatz geladen - gegen ein "Taschengeld".

Viele Kommunen und Institute schauen bei der Vergabe von Aufträgen nur auf den Preis, nicht auf die Qualität, ist die Erfahrung des Grafikers Rainer Munzert aus Krailling. Oft ginge es bei einem Angebot, das er stelle, weniger um das angemessene Honorar, sondern darum, die persönliche "Schmerzgrenze" auszuloten, wofür man noch bereit sei zu arbeiten. Konkurrenz macht zudem das Internet: Ein Logo, eine Website kann sich jeder schnell selbst zusammenschustern, die Qualität ist dabei einerlei. "Das ist der Tod der Branche".

Die Resonanz auf den Abend war unterschiedlich. Die als Diskussion angekündigte Podiumsversammlung sei eher eine Präsentation der Kreativen gewesen. Andere Besucher begrüßten dieses Treffen, zeigten sich aber gespannt, was wohl folgen soll, denn der Abend war als "Auftaktveranstaltung" deklariert.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2017
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