Süddeutsche Zeitung

Essen und Trinken:Es muss immer Kaviar sein

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Ali Sepehr Dad aus Gauting ist von Kindesbeinen an fasziniert von dem kostbaren Fischrogen und hat ihn als einer der Ersten im Internet vertrieben. Mittlerweile gehört er mit seiner Firma zu den wenigen großen Importeuren der Delikatesse in Deutschland.

Von Astrid Becker, Gauting

Kaum vorstellbar, was sich hier, in einem kleinen Gewerbegebiet mitten in Gauting, an wahren Schätzen verbirgt. Echten Feinschmeckern dürfte bei ihrem Anblick das Wasser im Mund zusammenlaufen: Kiloweise stapeln sich hier Dosen echten Kaviars. Ein Wunder ist das allerdings nicht: Denn das Souterrain des eher unscheinbar wirkenden Gebäudes ist das Reich von Ali Sepehr Dad. Der 42-jährige Mann mit dem persischen Namen ist, wenn man so will, ein Experte für die kostspielige Delikatesse - und war einst einer der ersten Importeure, die sie online im Internet vertrieben hat.

"Die haben mich alle für verrückt erklärt", erzählt er. Niemand habe ihm damals einen Online-Auftritt basteln wollen, "nicht für Kaviar", weil man dieses Luxusgut nun einmal nicht im Internet erstehe. Bis 2005 dauert es, bis Sepehr Dad ein erstes kleines Bestellformular ins Netz stellen kann. Dabei hatte er schon viele Jahre zuvor vom Kaviarimport und Onlinehandel geträumt. Zum Entsetzen des Vaters, der in der Heimat der Familie, in Iran, Obstplantagen betrieben und die Früchte exportiert hatte: "Er hat mich ausgelacht. Er meinte, dass ich spinne. Schon aus Trotz wollte ich ihm zeigen, dass das geht."

1998 war das. Sepehr Dad war zu dieser Zeit 18 Jahre alt und schon lange von Fischen fasziniert. Als Kind hatte er ein Aquarium besessen, und besitzt auch heute noch eines. Später erwarb er den Angelschein und eignete sich alles an, was es über Fische zu wissen gibt. Vor allem der Stör hatte es ihm angetan: "Ich weiß noch gut, ich bin damals in den Gasteig gegangen, um mir dort alle Bücher über diesen Fisch zu besorgen: Es waren damals gerade einmal zwei", sagt er und lacht. "Heute würde man dafür einfach ins Handy schauen, aber das gab's ja damals noch nicht." Stör, Kaviar - wie kam er nur darauf?

Das Wort Kaviar stammt aus dem Persischen, übersetzt heißt es "Kuchen des Vergnügens"

Vielleicht muss man es als Reminiszenz verstehen - einerseits an das Land, aus dem seine Familie 1988 nach Deutschland geflohen war. Acht Jahre hatte zu dieser Zeit schon der Krieg gegen Irak gewütet, der in Iran selbst in Massenhinrichtungen politischer Gefangener gipfelte. Viele Iraner verließen in dieser Zeit ihre Heimat - und Sepehr Dad damals das Land, aus dem die Sache mit den Fischeiern ursächlich stammen soll- und worauf vermutlich auch der Name "Kaviar" zurückzuführen ist. Etwa auf das persische Wort "Xāviār" oder auf "Cahv-Jar", wie das Störei von der am Kaspischen Meer lebenden iranischen Volksgruppe der Khediven bezeichnet worden ist. So schreibt es unter anderem auch Sepher Dad auf seiner Website. Demnach bedeutet dieses Wort übersetzt so viel wie "Kuchen des Vergnügens" oder "Kuchen der Freude". So ganz eindeutig jedoch ist die Sache mit der Etymologie in diesem Fall nicht - nur, dass Störeier wohl schon vor etwa 2000 Jahren verzehrt worden sind, früher aber gekocht wurden und lange Zeit als Essen für arme Fischer galten.

Andererseits dürfte auch der Starnberger See und vor allem seine Anwohner eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben bei Sepehr Dads Entscheidung, sich auf Kaviar zu spezialisieren. Er ist in Starnberg aufgewachsen und kennt die Klientel, die sich gern mal mit teuren Luxusprodukten verwöhnt und sich diese auch leisten kann. Sepehr Dad verleugnet das auch nicht. Klar, sagt er, da liege es doch quasi auf der Hand, sich in einer Gegend wie dieser mit seinem Berufswunsch niederzulassen.

Aber erst einmal lernt er alles, was es über Kaviar zu wissen gibt - und zwar keineswegs nur aus den beiden Büchern aus dem Gasteig. Er will zunächst Koch werden, "doch nach einem halben Jahr Lehre habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist." Daher geht er in den Lebensmittelhandel, in den Verkauf, wird leitender Angestellter und studiert nebenbei noch Betriebswirtschaft. Als er schließlich mit dem Kaviarhandel beginnt, sind die Voraussetzungen denkbar schlecht. Zumindest auf den ersten Blick.

Da ist erst einmal der Fisch selbst: 27 Störarten sind bekannt, mehr als zwei Drittel davon gelten mittlerweile als stark gefährdet oder sogar als ausgestorben - auch wenn sie alle seit 1998 im Washingtoner Artenschutzabkommen erfasst und somit streng geschützt sind. Dennoch wurden die natürlichen Bestände weiterhin durch Wilderei dezimiert, Kaviar bringt eben jede Menge Geld. Und das ist bis heute so - obwohl es mittlerweile noch strengere Gesetze und auch harte Kontrollen dazu gibt: 2009 etwa verbot die EU den Handel mit Wildfangkaviar aus dem Kaspischen Meer. Vorgeschrieben sind außerdem seit 2006 strenge Etikettierungs-, Herkunfts-und Genehmigungsnachweise, die ihre Rechtsgrundlage auf internationalen Vereinbarungen haben - um so den legalen Handel zu fördern und illegale Verstöße gegen den Artenschutz einzudämmen.

Legal: Das bedeutet keine Wildfänge mehr, sondern ausschließlich Kaviar, der aus Aquakulturen stammt. Bereits in den 90-er Jahren wurde damit begonnen, Störe für die Produktion von Kaviar zu züchten - allerdings mit mehr oder weniger Erfolg: "Alles eine Frage der Qualität", sagt Sepehr Dad, dessen Anspruch daran extrem hoch ist. Deshalb sondiert er auch den Markt ganz genau, nimmt jeden seiner Lieferanten persönlich in Augenschein. "Wenn mir dann ein Züchter nicht alles zeigt, hat er was zu verbergen, dann würde ich nie bei ihm kaufen." Alles, das fängt bei Sepehr Dad bei der Haltung der Störe an: Zum Beispiel dicht gedrängt in einem Betonbecken, das gehe gar nicht. Er checkt, ob die Fische Pilze haben oder Verletzungen aufweisen. Auch das seien Hinweise darauf, dass der Züchter "keinen guten Job macht". Er prüft, was gefüttert wird - und zieht beispielsweise auch Wasserproben: "Da war ich auch der erste, der das verlangt hat - denn wenn die Wasserqualität nicht eine besondere Güte hat, kann auch der Kaviar nicht schmecken." Das sei wie beim Wein: Auch da komme es auf den Boden an, sagt er.

Wichtig ist ihm, dass der gesamte Fisch verwertet wird

Wichtig ist ihm auch, dass der gesamte Fisch verwertet wird, der wegen seines Rogens getötet wird. Seine Haut zum Beispiel werde gegerbt, der Fisch selbst gegessen, seine Hausenblase für einen Leim verwendet, der beim Vergolden von Gegenständen wie Stuckleisten und Bilderrahmen eingesetzt wird: "Ohne diesen Leim ginge dieses Vergolden noch immer nicht", erklärt der Kaviarhändler, der all das als komplett nachhaltige Produktion bezeichnet. Über Versuche von Wissenschaftlern, Kaviar zu gewinnen, ohne den Fisch zu töten, kann er nur den Kopf schütteln: "Das schmeckt fad, nach unter schlechten Bedingungen gehaltenen Fischen." Das funktioniere vor allem nicht ohne Hormone und Wasserstoffperoxyd: "Und wer bitte will das essen?" Lieber sei es ihm da schon, wenn das Tier nicht nur wegen seines Rogens getötet, sondern ganz verwertet werde, nachdem es viele Jahre lang ein gutes Leben geführt habe: Störe werden je nach Art frühestens mit fünf Jahren, häufig aber auch erst mit zwölf oder 15 Jahren geschlechtsreif.

Sepehr Dad fängt mit dem Vertrieb der wertvollen Fischeier 1998 erst einmal klein an, mit geringen Mengen für Freunde und Bekannte. "Die ersten sieben, acht Jahre waren reine Lehrjahre", sagt er. Heute bezieht er seinen Kaviar hauptsächlich aus Farmen in Bulgarien oder auch Italien, das weltweit nach China den meisten Kaviar produziert. Der Rohkaviar wird dann gesalzen und in die charakteristischen Dosen verpackt. Manche von Sepehr Dads Geschäftskunden bestehen dabei auf eigene Etiketten mit ihren Firmenlogos oder dergleichen: Der Gautinger erfüllt auch diesen Wunsch. Natürlich streng nach Vorschrift: "Alles andere könnte man sich gar nicht erlauben." Die Strategie des Gautingers rechnet sich: Die Nachfrage, so erzählt er, sei heuer so hoch wie noch nie. "Rekord-Umsätze sind das", sagt er. Trotz Inflation, gestiegener Lebensmittelpreise und Energiekosten: "Die Menschen wollen das irgendwann nicht mehr hören", meint er. Schon gar nicht vor Weihnachten und Silvester, in der er nach eigenen Aussagen ein Drittel seines Jahresumsatzes mache. Insgesamt sind es 5,5 Tonnen Störkaviar, die er im Jahr bewegt.

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