Süddeutsche Zeitung

Gastronomie im Landkreis Starnberg:Ausgezapft nach 20 Jahren

Lesezeit: 2 min

Das "Gasthaus Dietrich" gehört zum Wörthseer Ortsteil Auing wie der Maibaum gleich daneben. Nun hört die Wirtsfamilie auf. Sie findet kaum noch Mitarbeiter, obwohl sie ihnen sogar Wohnungen bietet

Von Christine Setzwein, Wörthsee

In vielen kleinen Dörfern gibt es längst keine Wirtshäuser mehr. Geschlossen, weil sich kein Nachfolger, kein Personal oder beides fand, weil die Brandschutzauflagen nicht mehr eingehalten werden konnten oder die Gäste ausblieben, weil sie nicht mehr rauchen durften. Die Gemeinde Wörthsee ist da eine Ausnahme. Dort hat vor vielen Jahren nur in Walchstadt die einzige Gaststätte dicht gemacht. In der Ortsmitte von Etterschlag steht immer noch der "Alte Wirt" mit dem urigen Biergarten. In Steinebach trifft man sich beim "Augustiner" oder im "Seehaus Raabe". Und in Auing gehört der "Gasthaus Dietrich" zum Dorf dazu wie der Maibaum gleich daneben. Und wie Mirko Jure Matić, der Wirt. Seit 20 Jahren kümmert sich die kroatische Familie um ihre Gäste, er in der Gaststube, seine Frau Luca in der Küche. Doch jetzt ist Schluss. Nach 20 Jahren hören die Pächter zum Ende des Jahres auf.

Kroatische und bayerische Küche wird in Auing serviert. Ob Cevapcici, Schnitzel oder Krautwickel, ob Palatschinken oder Apfelstrudel, die Qualität der Speisen hat in all den Jahren nie nachgelassen. Einen Namen gemacht hat sich Matić vor allem mit Fischgerichten. Jeden Aschermittwoch ist das Lokal brechend voll. Die Stammgäste kommen aus ganz Wörthsee, aber auch aus Söcking oder von noch weiter her. Und was isst Mirko Matić am liebsten? "Pfefferspieß, aber Leberkäse schmeckt mir auch."

Matić kam 1985 nach Deutschland. Eigentlich sollte er nach dem Willen des Vaters Maschinenbau studieren. Doch er wollte in die Gastronomie, wie viele andere aus seiner Familie. In Ingolstadt, Berlin, in Westfalen und schließlich in der "Au" in Starnberg arbeitete er als Kellner. Dort erfuhr er, dass für das Gasthaus Dietrich ein Pächter gesucht wird - und übernahm.

Die Speisekarte hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht viel verändert, anderes schon. "Die Bürokratie ist mehr geworden", sagt Matić. Das Rauchverbot hat zur Folge, dass ab neun Uhr abends nicht mehr so viel los ist im Lokal wie früher. Neue Stühle, größerer Biergarten, überdachte Terrasse - Mirko Matić hat aus dem Dorfwirtshaus ein schmuckes Gasthaus gemacht und ist trotzdem bodenständig geblieben. Der Stammtisch kommt zweimal die Woche, und die Runde Kartenspieler trifft sich regelmäßig am Freitag. Auch das wird immer seltener, dass Wirte in ihren Lokalen noch Kartenspielen erlauben. "Aber die stören doch nicht", meint Matić.

Am schlimmsten sei das Personalproblem geworden, sagt der 54-Jährige. Obwohl es über der Gaststätte Wohnungen gibt und er für seine Mitarbeiter ein Nachbarhaus gemietet hat, sind kaum mehr Leute zu bekommen. In Kroatien boomt der Tourismus, auch aus Osteuropa komme kaum noch jemand. Die Arbeit in der Gastronomie ist hart, Köche, Kellner und Kellnerinnen müssen am Abend und an Wochenenden jobben. Den Personalnotstand hat Matić gerade unmittelbar erlebt. Weil sein Koch den "Schreyegg" in Unering übernahm, musste der Chef selber in die Küche. "Die Gäste haben schon gesagt, der ist aber lang in Urlaub, weil sie mich wochenlang nicht gesehen haben", schmunzelt er. Ein Lokal zu übernehmen und gut zu führen, "geht nur noch mit Unterstützung der Familie", sagt er. In Auing helfen am Wochenende die zwei Töchter, 28 und 24 Jahre alt, mit. Den "Dietrich" weiterführen wollen sie aber nicht. "Sie leben in München, haben ihre eigene Familie und ihren Beruf", sagt Matić.

Am 31. Dezember bedient Matić seine Gäste zum letzten Mal. Der Silvesterabend ist längst ausgebucht. Bis zum Sommer wollen er und seine Frau sich dann erholen. Was dann kommt? "Wer weiß, alles ist offen", sagt er. Nur in die Gastronomie will er nicht mehr. Zuvor möchte er aber noch vom 16. bis 21. Dezember (Mittwoch Ruhetag) mit seinen Stammgästen das 20-jährige Bestehen in Auing feiern.

Die gute Nachricht: Ein Nachfolger ist schon da. Die Gäste müssen sich nicht einmal an einen neuen Namen gewöhnen. Der neue Pächter heißt Andreas Matić, ist ein Landsmann, aber nur ein Namensvetter.

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Quelle:
SZ vom 11.12.2019
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