Süddeutsche Zeitung

Fünfseenland:Baldrian für die Wildkatze

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Mit Lockstäben gehen Förster und Naturschützer auf die Suche nach Wildkatzen im Fünfseenland. Die scheuen Tiere galten lange als ausgerottet, nun wurden sie erstmals wieder in Südbayern nachgewiesen.

Von Armin Greune, Starnberg

Als menschenscheuer, breitschädliger Einzelgänger, der verlorene Lebensräume im Freistaat zurückerobert, hätte er das Zeug zum Wappentier der bayerischen Grantler. Der Kuder, die männliche Wildkatze, kommt ein bisserl massiger als die domestizierten Verwandten daher; sein Schwanz ist meist buschiger und hat ein stumpfes, schwarzes Ende.

Nachdem vor zwei Jahren erstmals Exemplare südlich von Augsburg und im Unterallgäu entdeckt wurden, haben sich Förster und Naturschützer nun auch im Fünfseenland auf die Spurensuche begeben: Mit sogenannten Lockstöcken sammeln sie Katzenfell in entlegenen Waldgebieten. Eine Haarprobe wurde bereits gefunden, sie wird zur genetischen Untersuchung an ein Labor gesandt: Nur so lässt sich sicher klären, ob die Haare von echten Wildkatzen oder von verwilderten Hauskatzen stammen.

Wo Hybride unterwegs sind

Die am ehesten durchwegs ausgeprägten anatomischen Unterschiede sind das größere Schädelvolumen der Wildkatzen und ihr kürzerer Darm, weil sie ausschließlich Fleisch fressen. Doch obwohl die vielen gezüchteten Rassen nicht von der Wild-, sondern der ägyptischen Falbkatze abstammen, sind die Stubentiger noch immer sehr nah mit den heimischen Waldbewohnern verwandt. In Gefangenschaft haben Wild- und Hauskatzen gemeinsam fruchtbaren Nachwuchs, sogenannte Blendlinge, hervorgebracht.

In der freien Natur dürften Hybride nur sehr selten vorkommen: Zur Paarungszeit der Wildkatzen im Februar liegen die meisten Hauskatzen lieber hinterm warmen Ofen. Ohnehin würde sich selbst ein ganz verwegener Hauskater wohl nur schwerlich gegen einen Kuder als Revierrivale durchsetzen. Dennoch befürchten Naturschützer, Hybride könnten letztlich die originäre Wildart endgültig verdrängen.

Wann zuletzt Wildkatzen im Fünfseenland gesichtet wurden

Die Wahrscheinlichkeit, der sehr verborgen lebenden Tierart im Fünfseenland zu begegnen, ist allerdings sehr gering. Nur etwa 300 Wildkatzen leben inzwischen wieder in Bayern. Der letzte, unsichere Nachweis im Landkreis Starnberg liegt 65 Jahre zurück: Angeblich wurde 1950 ein Exemplar bei Gauting identifiziert. Aber eigentlich galt die Wildkatze in Bayern bereits seit den 1940er Jahren als ausgerottet. Der Bund Naturschutz begann 1984 mit der Wiedereinbürgerung in Nordbayern, bis 2009 wurden dazu vor allem im Spessart 600 Wildkatzen ausgesetzt. Allmählich verbreitet sich die nun streng geschützte Art weiter nach Süden, dabei ist sie vor allem den Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt. Das Fünfseenland bietet in den Wäldern westlich von Gilching und des Ammersees, aber auch zwischen Starnberger und Ammersee zumindest potenzielle Streifgebiete für Wildkatzen.

Daher haben im Rahmen eines bundesweiten Projektes Helfer der Naturschutz-Kreisgruppe Starnberg (BN) sowie die Förster des Amtes für Forsten und des Bayerischen Staatsforstbetriebs etwa 30 Lockstöcke in Wäldern bei Gauting, Herrsching, Andechs und Tutzing aufgestellt. Dabei handelt es sich um mit einer Baldrian-Lösung besprühte Holzlatten; dem Drang, sich daran zu reiben, können Katzen kaum widerstehen. Die Projektpartner hoffen so, bis Mitte Mai möglichst viele Haarproben zu erhalten - eine aus dem Kerschlacher Forst liegt ja immerhin schon vor.

Bis die Ergebnisse der Laboruntersuchung bekannt sind, werden Monate vergehen. Die Frage, ob die Wildkatze schon im Fünfseenland angekommen ist, bleibt also noch länger spannend: "Im Landkreis gibt es Wälder, die dafür geeignet wären, trotzdem wäre der Nachweis einer Wildkatze eine Sensation", sagt BN-Geschäftsführerin Helene Falk. Denn nur jede tausendste Katze in Deutschland ist wirklich wild.

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Quelle:
SZ vom 17.04.2015
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