Süddeutsche Zeitung

Künstlerporträt:Coole Fresse, gelbe Brille, große Show

Lesezeit: 4 min

Aus einem privaten Tief hat sich Alleinunterhalter Frank Astor aus Dießen mit großem beruflichen Erfolg wieder herausgearbeitet. Wie man die Chance in der Krise nutzen kann, verrät er nun bei gut bezahlten Auftritten.

Von Michael Berzl, Dießen

Auf einmal ist die Frau weg, mit der man große Pläne hatte, und plötzlich ist alles ganz anders; das kann sich anfühlen, als würde einem der Boden weggezogen. "Da bin ich mal eben ungespitzt in eine Depression gerasselt": So unverblümt und nonchalant schildert Frank Astor mit ein paar Jahren Abstand die möglicherweise größte Krise in seinem Leben und ihre Auswirkungen. Und da gibt es einiges zu erzählen: der Einbruch damals, der berufliche Neustart und das vierte Buch, das soeben erschienen ist. Der 63-jährige Schauspieler, Kabarettist und Alleinunterhalter aus Dießen war damals erstmal komplett ausgebremst, fast handlungsunfähig. Er hat sich selbst da wieder heraus geholt und aus der Krise eine Chance gemacht. Hat sich quasi am eigenen Schopf aus dem Sumpf heraus gezogen. Bildlich ausgedrückt. Praktisch ginge das heute wohl nicht mehr. Doch dazu später mehr.

Als Frank Astor zum Plausch über seine Vita aufs Sofa bittet, läuft im Hintergrund leichte Klaviermusik auf Spotify. Es gibt weiße Frottee-Hausschuhe, damit die Kieselsteine von draußen nicht den Boden verkratzen. Im Kamin brennt ein Feuer. Das große, helle Wohnzimmer ist mit Accessoires dekoriert, die man gemütlich finden kann. Überall stehen Kerzen, neben der Terrassentüre sitzt ein hölzerner Buddha am Boden, vor sich eine Klangschale, auf dem Kopf eine Nikolaus-Mütze. In einer Nische steht eine Marienfigur mit Jesuskind. Früh habe er Interesse an Spiritualität entwickelt, heißt es im Vorwort zu Astors aktuellem Buch.

In der Musikecke steht ein Flügel, eine Gitarre lehnt am Regal. Die Wände sind in warmen Pastellfarben gestrichen. Toll aber ist der Blick nach draußen: unverstellt, weite Felder, freie Sicht bis zum ein paar hundert Meter entfernten Kirchturm. Ganz in der Nähe steht sein Reitpferd. Das Haus steht in ruhiger Lage am Rand von Dießen. "Ich fühle mich wohl hier auf dieser Insel", sagt der Hausherr. Von seiner Homebase aus geht er auf Tour, begleitet von seiner Frau Christine, die sich bei den Auftritten vor allem um die Technik kümmert.

Die Belegschaften vieler großer Unternehmen haben ihn schon gesehen. "Bei den Firmen sitzt das Geld."

Frank Astor, aufgewachsen im Hunsrück, Schauspielschule in Hamburg, steht seit Jahrzehnten auf der Bühne. Zuerst vor allem als Kabarettist mit Programmen mit Namen wie "Männer kommen anders". Bis zu jener Krise, die beruflich einiges bei ihm geändert hat. Astor hat damals viel nachgedacht, sich selbst gecoacht und neu justiert. Dabei entstand das Programm "20 Methoden, sein Leben zu verplempern". Der Titel ist natürlich ironisch gemeint, das Gegenteil ist das Ziel. Schließlich zählen in der Branche vor allem Versprechen von Glück, Erfolg und Selbstverwirklichung. Für Astor war es "der Hammer" - ein Ausdruck, den er gerne verwendet. "Das ging durch die Decke", erzählt er. Unternehmen wurden auf ihn aufmerksam und heuerten ihn an. Fortan habe er nicht mehr jeden Abend spielen müssen, sondern nur noch dreimal im Monat. "Das Geld sitzt bei den Firmen", sagt er. Genaue Summen mag er nicht nennen, aber mehrere Tausend seien schon zu verdienen - an nur einem Abend.

Jetzt wird er oft angeheuert als eine Art Allzweck-Entertainer für Firmen-Events. Ob er ein paar große Namen nennen könne, wo er schon aufgetreten ist? "Sagen Sie mir lieber eine Firma, wo ich noch nicht war", sagt Astor. Gute Stimmung und bestes Entertainment seien garantiert, verspricht er auf seiner Homepage. Davon zeugten 4000 Live-Auftritte und mehr als eine Million begeisterter Zuschauer. Das kann in Firmenräumen sein, auf einem Schiff auf der Donau in Regensburg oder auch in einem Bierzelt, vor 30 Zuhörern oder vor 2000.

Die Belegschaften der wichtigsten Firmen in München dürften schon einmal Gelegenheit gehabt haben, ihn auf der Bühne zu erleben. Den ehemaligen bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil aus Gauting zitiert er mit den Worten: "Wie Frank Astor firmenrelevante Themen mit Entertainment verbindet, ist genial." Übertrieben bescheiden ist Astor jedenfalls nicht. Nach einer Zwangspause durch die Corona-Krise beginnt das Geschäft nun wieder zu florieren. Im Januar spricht er in einer Montessori-Schule in Rohrdorf bei Rosenheim über Medienkompetenz, in einer Firma bei Singen zeigt er sein Programm "Future now". Weitere Anfragen lägen vor.

In seinen Programmen und Vorträgen befasst er sich mit Themen wie Künstlicher Intelligenz, Geld und Glück, Zeit- und Selbstmanagement. Wenn er von seinen Auftritten erzählt, dann sagt er, er "spielt" - so wie früher als Schauspieler oder Kabarettist. Das sind präzise einstudierte und choreographierte Stücke: "Die sind auf Pointe geschrieben, da kannst du nichts dem Zufall überlassen. Wir sind schließlich Profis". Beim Erarbeiten neuer Stücke hat er auch schon mit Michi Marchner von der Herrschinger Musikkabarett-Gruppe "Les Derhosen" zusammengearbeitet.

Dazu arbeitet er als Trainer und Coach, am Ammersee will er eine Akademie aufbauen. Astor sieht sich als "Tausendsassa", der am liebsten mehrere Projekte am Laufen hat, damit ihm nicht langweilig wird. Auch Ambitionen für den Film hat der Dießener Coach: Im Ludwigshafener Tatort hat er die Nebenrolle eines Bademeisters bekommen, und per Crowdfunding wollte er vor vier Jahren die Produktion einer Kinokomödie finanzieren. "Es wurden bereits einzigartige Drehorte um Augsburg, Starnberg und am Ammersee gefunden", erklärte er damals zuversichtlich bei der Vorstellung des Projekt; als Regisseurin war die Schauspielerin und Filmemacherin Laura Thies auserkoren. Am Ende aber ist nichts daraus geworden, weil nicht genügend Geld hereinkam.

Astor hält nichts von falscher Bescheidenheit: Auch sein neues Buch "ist der Hammer"

Dafür gibt es ein neues Buch. "Coach me up!" heißt es, und Astor sagt: "Das ist der Hammer". Gedacht ist es für Therapeuten, Trainer, Coaches und Berater. Der Autor verspricht ihnen "die 13 Exzellenz Coaching Diamanten": Methoden, die er selbst gefunden hat. Die erste Auflage mit tausend Exemplaren ist soeben erschienen und kommt im Januar in den Handel. Obwohl der Autor gerade erst die ersten Bücher verschickt, glänzt auf dem Cover bereits ein goldfarbener Stern mit der Aufschrift "Mein Bestseller".

Frank Astor grüßt auf dem Cover mit einer schwarzen Kappe. Darunter eine Glatze. Was ist mit seinen Haaren passiert? Auf Bildern, die keine fünf Jahre alt sind, ist er noch mit einer fast schon wuscheligen Frisur zu sehen. Doch dann sei ihm das dichte Haar plötzlich ausgefallen. Vielleicht habe das mit einer weiteren Änderung in seinem Privatleben zu tun gehabt, mutmaßt er, sieht darin aber auch einen Vorteil: "Ich hätte es mir nicht besser aussuchen können", meint er. "Jetzt bin ich eine Marke, eine coole Fresse. Und meine gelbe Brille kommt so viel besser zur Geltung". Diese auffällige Brille in knalliger Farbe ist zu einer Art Markenzeichen geworden. So kann man auch mit Wendungen im Leben umgehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5719340
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.