Süddeutsche Zeitung

Missbrauchsvorwürfe in Feldafing:"Gruselige" Vorstellung

Lesezeit: 2 min

Bürgermeister Bernhard Sontheim wurde von Pfarrer O. getauft, gegen den sich die schlimmsten Vorwürfe richten. Der heutige Pfarrer Leander Mikschl will für niemanden die Hand ins Feuer legen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Feldafing

Die Gemeinde will alles für die Aufarbeitung der schweren Missbrauchsvorwürfe aus den 60er- und 70er-Jahren tun. Sowohl Bürgermeister Bernhard Sontheim als auch Pfarrer Leander Mikschl erklären sich bereit, alle Informationen zur Verfügung stellen - sofern keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden.

Die schlimmsten Vorwürfe richten sich gegen den katholischen Gemeindepfarrer O., der von 1947 bis 1968 in Feldafing war und 1991 starb. Das hat viele Feldafinger betroffen gemacht, die den Pfarrer selbst noch gekannt hatten. Bürgermeister Sontheim ist von dem Pfarrer getauft worden. Auch wenn er sich nicht an ihn erinnern kann, findet er schon den Gedanken, dass er am Kopf berührt worden sei, "gruselig".

CSU-Gemeinderätin und Sozialreferentin Nandl Schultheiß hat zusammen mit ihren damaligen Mitschülern bei dem Pfarrer Kommunion gefeiert. Doch bislang habe sich niemand dazu geäußert, sagt sie. Die Grünen-Gemeinderätin Sibylle Härtl arbeitet in der Prävention von sexuellem Missbrauch. Sie will versuchen, Betroffene zu überzeugen, an der Aufklärung mitzuwirken. Ein Link zu Beratungsstellen wurde auf der Homepage des Ortsverbands eingerichtet. "Man muss den Willen zeigen, über die Träger hinweg Informationen zu erhalten und zu kooperieren", betont sie. Bislang habe sie jedoch nur Rückmeldungen von Feldafingern erhalten, die sagen, sie hätten den Pfarrer gekannt und könnten sich das nicht vorstellen.

Bei der Pfarrgemeinde sind ebenfalls keine Opfer bekannt, aber es habe Kritik gegeben, sagt Pfarrer Mikschl. Gläubige bezweifelten, dass Pfarrer O. ein Täter gewesen sei und zeigten sich überzeugt, dass der Kirche geschadet werden solle. Dagegen glaubt Mikschl, der "freundliche Pfarrer" habe offenbar zwei Gesichter gehabt. Er selbst würde für niemanden die Hand ins Feuer legen. Er habe Mitbrüder gekannt, die Täter waren und denen er das ebenfalls nicht zugetraut hätte, sagt er. Seither sei er überzeugt, dass auch in der Kirche "bei weitem nicht alle heilig sind".

Käme heute ein Täter zu ihm zum Beichten, würde er ihm keine Absolution erteilen, sondern ihn an eine Fachstelle verweisen. "Ein Verbrechen zu decken, das geht gar nicht." Als die Vorfälle bekannt wurden, hat Mikschl umgehend sein Bedauern geäußert. "Hier wurde das Seelenheil der Menschen zerstört." Opfer will Mikschl ermutigen, sich an unabhängige Fachstellen zu wenden. Es sei wichtig, dass sie anerkannt würden und eine Entschädigung bekämen. "Es geht darum, dass Leute sagen können, es ist korrekt gearbeitet worden."

Mikschl will gerne zur Aufklärung beitragen, glaubt aber nicht, dass im Kirchenarchiv Hinweise zu finden sind. Er könne sich nicht vorstellen, dass in den Kirchenverwaltungssitzungen darüber gesprochen worden sei. Pfarrgemeinderatsprotokolle würden nicht so lange aufgehoben und Ehe- oder Taufregister fielen unter den Datenschutz. Es stünden lediglich Zeitungsausschnitte aus dieser Zeit zur Verfügung.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5252894
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 01.04.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.