Süddeutsche Zeitung

Klassik:Alles, nur kein Durchschnitt

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Die Initiatoren der Feldafinger Musiktage präsentieren im Jubiläumsjahr ein "verrücktes Programm". Den Auftakt gestalten die künstlerischen Leiter Franziska Hölscher und Kit Armstrong zusammen mit Daniel Müller-Schott.

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Seine kleine Festrede zur Eröffnung der zehnten Feldafinger Musiktage hätte sich der Initiator und Spiritus Rektor des kleinen, aber hochrangigen Festivals, Axel Spring, sicher freudiger gewünscht. Aber der kürzliche Tod der Sopranistin Gabriele Schaut, die 2017 in Brahmsens "Die schöne Magelone" rezitierte und für einen erneuten Einsatz bereits geplant war, trübte die Freude über das bisher Geschaffene, das Grund genug für eine hochtrabende Eloge gewesen wäre. Der künstlerische Leiter des Festivals, die Violinistin Franziska Hölscher sowie der Programm-Mitgestalter der ersten Stunde und Pianist Kit Armstrong wären sonst mit einem tosenden Applaus empfangen worden.

Doch stattdessen wurde es beim Auftakt am Donnerstagabend still für ein spontanes Siciliano Bachs aus der c-Moll-Sonate BWV 1017 mit dem zutiefst ergreifenden "Erbarme dich" aus der Matthäuspassion. Ein innbrünstiges Gebet, das hier in der Kirche Peter und Paul nicht beseelter hätte erklingen können. Es war zwar ein Zufall, dass im planmäßigen Programm die Sonate für Violine und Basso continuo HMV 371 von Händel an erster Stelle stand, aber als Überleitung vom Gedenken zum Konzert war es ein Glücksfall, zumal das Kopfsatz-Affettuoso auf lyrische Weise seine Emotionen beruhigte und ins Feierliche überführte. Das Lamento des traurig sinnierenden Larghetto fügte sich zudem perfekt in den Kontext.

Ein paar Zuhörer mehr hätten gut gepasst, denn der kirchenübliche Hall ließ das hier wunderbar schlanke Spiel des Duos unnötig anschwellen. Diese Klangeigenart des Kirchenraums machten sich die Musiker des Abends aber auch zunutze. Sie wählten generell den sinnenfreudigen Zugriff mit viel farbiger Substanz, für den der Bechstein-Flügel seinen Charakter am besten zu offenbaren vermag, und der in Händels kraftvollen und heiteren Allegro-Sätzen sogleich seine Strahlkraft entfalten durfte. Schon bei diesem eher selten gespielten Werk ahnte man, was Armstrong später in seiner Ansprache zum Konzertende mit "verrückten Programmen" bezeichnete. Verrückt deshalb, weil die Macher auch wenig bekannte Werke, zeitgenössische Kompositionen und Randerscheinungen im Konzertbetrieb in komplexen Kontexten zusammenbringen, die nicht gerade das Durchschnittspublikum anziehen. Der Festivalgedanke wird also konsequent gewagt. Dabei ein besonderes Profil zu schärfen ist sicher eine kluge Entscheidung. Nur so können sich die Feldafinger Musiktage von der Masse der allerorts wie Pilze aus dem Boden schießende Festivals unterscheiden.

Brahmsens Inspiration an der Natur greift das Trio in florierenden Momenten auf

Bachs Gambensonate G-Dur BWV 1027, die Daniel Müller-Schott am Violoncello in wechselnden Rollen im Duo mit Armstrong gestaltete, geriet bei der Übertragung etwas eigen, manchmal gar unbequem, was allerdings die Struktur des Werkes umso deutlicher offenlegte. Und auch hier standen die melancholisch fließenden langsamen Sätze in einem überaus wirkungsvollen Kontrast zu den energischen Allegro-Sätzen, einmal tänzerisch beschwingt und im Finale als ein energisches Wirbeln. Erstaunlich viele Parallelen zu Schuberts "Arpeggione", also der Sonate a-Moll D821 für das so benannte Instrument, das schnell in Vergessenheit geriet.

Um die Reize der gestrichenen Gitarrenart zu erproben kreierte Schubert mit der Sonate eine Sammlung reizvoller Melodien, Themen, Motive, musikalischer Charaktere und Wendungen, die Müller-Schott und Armstrong in ein Feuerwerk unterschiedlichster Ausdrucksformen verwandelten, ohne jedoch die Gesamterscheinung aufzubrechen oder gar zu verwässern. Gerade die Sanglichkeit des Streichinstruments kommt in diesem Werk besonders auf ihre Kosten. Insbesondere im Adagio, das hier nicht nur mit berührender Schönmelodik, sondern vor allem mit einem weit gezogenen Spannungsbogen überzeugte.

Auch wenn Brahms sein Es-Dur-Trio op. 40 selbst für ein Cello transkribiert hat bleibt der besondere Charakter des ursprünglich bedachten Naturhorns in den Themen dennoch erhalten. Das offenbarte sich vor allem in einem gewissen nostalgischen Grundtenor in den Duetten von Hölscher und Müller-Schott. Der warme Schönklang dominierte hier das homogene Ensemblespiel, das sich immer wieder zu fulminant klangflutenden Höhepunkten aufbäumte. Brahmsens Inspiration an der Natur griff das Trio aber auch auf und arbeitete wunderbar florierende Momente heraus, so schon in der Einleitung zum Kopfsatz, aber auch im wilden Galopp des Finales. Angesichts dieser so fulminanten Gestaltung verblüffte der zart dahinhuschende Elfenspuk aus Mendelssohns Scherzo zum d-Moll-Trio in der Zugabe schon sehr.

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