Süddeutsche Zeitung

Inning:Ein Hotel für die Mitarbeiter

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Eine Firma aus Oberpfaffenhofen hat knapp 20 Fachkräfte in einem ehemaligen Gastbetrieb am Wörthsee einquartiert - inklusive Bootssteg, Liegewiese und E-Bikes. Das soll die Kollegen an den Betrieb binden.

Von Patrizia Steipe, Inning

Am Vorabend haben alle an einer langen Tafel Rosmarinhuhn und Ofenkartoffeln gegessen. Ein Mitarbeiter beim Oberpfaffenhofener "Heli Service International" feierte Geburtstag. Dann wurde im Gemeinschaftsraum Fußball geschaut, erzählt Bennet Behrmann. Der 19-Jährige duale Student ist der jüngste der etwa 20 Bewohner, die seit dem 1. November in das Hotel Mutz in Bachern in der Gemeinde Inning eingezogen sind.

Das Hotel heißt nun "Heli House". Zimmer kann man keine mehr buchen, das Unternehmen hat das gesamte Hotel für seine Mitarbeiter gepachtet. Acht Monate lang habe sie nach einem geeigneten Objekt gesucht, erklärte Julia Hoge, die das "Heli House" leitet. In Bachern habe sie auf gut Glück geklingelt und ist mit ihrem Angebot auf offene Ohren gestoßen. Die Eigentümer planten sowieso, das Hotel in absehbarer Zeit aufzugeben. Ein Jahr lang läuft die Probephase für das "Heli House", falls es dann für alle passt, soll verlängert werden.

Viele Fachkräfte kommen aus dem Ausland

Es ist nicht das erste Mitarbeiterhaus des Helicopter Service-Unternehmens. An seinem Stammsitz in Emden baute es 2019 ein ehemaliges Kasernengebäude in ein Wohnhaus um. In Oberpfaffenhofen soll das Konzept fortgesetzt werden. Im "Heli House" sind vor allem hochspezialisierte Fluggerätemechaniker untergebracht. Sie warten die Leonardo-Hubschrauber in der 2020 erworbenen Werkshalle auf dem Oberpfaffenhofener Air Tech Campus. Viele Fachkräfte kommen aus Spanien, Italien und Portugal. In Deutschland habe das Unternehmen keine Experten gefunden, so Oliver Freiland, Managing Partner der Firma. Dank des höheren Lohns in Deutschland ist der Job in Oberpfaffenhofen für sie ein lukratives Geschäft - vorausgesetzt das Gehalt muss nicht für Wohnen ausgegeben werden. Die Arbeitskräfte arbeiten in Wochenschichten. Nach drei Wochen haben sie beispielsweise zwei Wochen frei, in denen sie nach Hause fahren und ihr Quartier für die nächste Schicht räumen.

Werkswohnungen erfahren ein Revival. Immer mehr Unternehmen entgegnen der Wohnungsnot durch ein Angebot an eigenen Immobilien, auch um damit bei der Personalsuche punkten zu können. Oliver Freiland nennt als Beispiel die Firma BASF. Das Unternehmen bietet in großem Ausmaß in Ludwigshafen seinen Pendlern und Gastarbeitern Unterkünfte und "Business-WGs". Dabei sind Mitarbeiterwohnungen nichts Neues. Zu Zeiten der Industrialisierung entstanden viele solcher Werkssiedlungen, um der Landbevölkerung, die als Arbeitskraft in den Industriezentren gebraucht wurde, nicht nur eine Schlafgelegenheit zu bieten, sondern sie an den Betrieb zu binden. Mit den Siedlungen waren Freizeitangebote wie Musikvereine, aber auch Betriebs-Krankenkassen verbunden.

In Bachern zahlen die Mitarbeiter 24 Euro pro Nacht. Dafür bekommen sie Hotelappartements mit eigenem Bad und teilweise Wohnzimmer, sie können die Gemeinschaftsküche nutzen, in der jeder sein eigenes Kühlfach hat. Die Firma hat eine Beteiligung bei einem Fitness-Center und im Sommer wird es eine Liegewiese mit Bootssteg für den vor dem Hotel liegenden Hafen geben, der einen Zugang zum Wörthsee hat. Außerdem sollen Autos und E-Bikes angeschafft werden.

Freiland ist es wichtig, dass seine Mitarbeiter im Heli House eine Gemeinschaft mit ihren Kollegen aufbauen. Er hofft, dass seine Fachkräfte dadurch eine besondere Bindung zur Firma entwickeln, denn heute braucht es mehr als ein gutes Gehalt, um Mitarbeiter zu halten. Ausschlaggebende Faktoren seien: "Geld, Weiterentwicklung und Kultur", wobei zu Letzterem weiche Faktoren wie Betriebsklima und Wohlfühlen gehören.

Julia Hoge ist indes weiterhin auf der Suche nach Objekten für Gemeinschaftsquartiere. Die Firma will expandieren. Teile der Verwaltung sollen von Emden nach München verlegt und die Wartungsplätze für die Helicopter von sechs auf zehn erweitert werden. Um wachsen zu können, müsse zuerst die Infrastruktur passen, "sonst wird es nicht funktionieren", betont Freiland.

Student Behrmann zieht nach einem Monat im Heli House ein positives Resümee. "Hier ist immer etwas los, das ist wie eine große WG". Vor allem freut sich der junge Mann aus Bremen, abends nicht allein im Hotel sitzen zu müssen.

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