Süddeutsche Zeitung

Kultur am Ammersee:Raum für Ateliers, Ausstellungen und Archivare

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In einer ehemaligen Dießener Schreinerei treffen sechs Monate lang Kunstschaffende, Studenten und Workshops aufeinander - dann soll das Gebäude abgerissen werden. Der Verein Freie Kunstanstalt darf es vorübergehend nutzen, mittelfristiges Ziel aber bleiben die Huber-Häuser

Von Hannah Szeck, Dießen

Von außen betrachtet wirkt das Gebäude der ehemaligen Schreinerei Peter Graf nicht sonderlich beeindruckend. Lediglich die rote Außenfassade lässt das Bauwerk in der Johannisstraße 31 in Dießen auffallen. Doch die Innenräume des Anwesens, das zuvor leer stand, werden seit Oktober vergangenen Jahres wieder mit Leben gefüllt. Denn seitherkommen an diesem Ort Kultur, Workshops und Diskussionsrunden zusammen, alles initiiert durch den Verein "Freie Kunstanstalt".

"Wir wollen einen Begegnungsort schaffen, an dem Menschen aufeinandertreffen, die sich normalerweise im Alltag nicht über den Weg laufen", erzählt Stefanie Sanktjohanser, die Erste Vorsitzende des Vereins. Die "Freie Kunstanstalt" hat sich das Ziel gesetzt, ein offenes Kulturzentrum mitten in Dießen zu etablieren. Für eine Dauer von sechs Monaten hat der Verein aus diesem Grund die ehemalige Schreinerei Peter Graf gemietet. Deren Räume werden seit Mietbeginn schon vielseitig genutzt, unter anderem von Künstlerinnen und Künstlern, die sich hier ihren eigenen bildnerischen Werken widmen.

Aber nicht nur Skulpturen werden dort gefertigt - in der Werkstatt hat man auch schon Skateboard-Rampen betoniert. Und einige Studentinnen nutzen die Räume zum Lernen, andere wiederum treffen sich, um an Näh-Workshops oder politischen Diskussionsrunden teilzunehmen. Die Tür stehe jedermann offen, sagt Jörg Kranzfelder, zweiter Vereinsvorsitzender. "Und aktuell füllt sich der Ort immer mehr mit Leben", fügt Sankjohanser hinzu.

Bis April diesen Jahres kann der Verein die Räumlichkeiten noch mieten und nutzen. Anschließend ist der Abriss des Gebäudes geplant. Bis es soweit ist, wird dort unter anderem ein Kurs stattfinden, der die Stärkung der seelischen Gesundheit bei jungen Mädchen zum Ziel hat. Auch die "Radix"-Ausstellung soll hier in naher Zukunft kuratiert werden, bei der Künstlerinnen und Künstler, die in Dießen verwurzelt sind, ihre Werke präsentieren können.

Obwohl die ehemalige Schreinerei mit 600 Quadratmetern Fläche viel Platz bietet, müsse an manchen Tagen genau überlegt werden, "was hier wann stattfinden kann", sagt Sanktjohanser. Eigentlich streben die Vereinsmitglieder seit vergangenem Jahr die Etablierung eines Kulturzentrums in der seit langem verwaisten, früheren Graphischen Anstalt Jos. C. Huber in Dießen an. Dort stünde mit rund 2400 Quadratmetern deutlich mehr Raum als im derzeitigen Provisorium zur Verfügung. Doch die Größe der einstigen Druckerei in der Johannisstraße sei für den Verein eher nebensächlich, primär würden die Optik und die Lage reizen: "Diese Jugendstilfassaden in Kombination mit dem Industriekomplex macht diese Häuser mitten in Dießen einfach besonders", meint Sanktjohanser.

Noch ist - unter anderem wegen der befürchteten Altlasten in den ehemaligen Produktionshallen - ungewiss, ob dort überhaupt ein Kulturzentrum untergebracht werden darf. Sanktjohanser zufolge warte man aktuell auf die Einwilligung der Marktgemeinde Dießen, die den Gebäudekomplex geerbt hat. Der zum Teil verwahrloste Zustand des Immobilie stelle für den Verein jedenfalls kein Hindernis dar. Die "Freie Kunstanstalt" würde die Sanierung der Huber Häuser organisieren und zum Teil in Eigenleistung übernehmen, falls der Gemeinderat dies zulasse und der Verein die Räumlichkeiten im Anschluss nutzen darf. "Wir kennen sowohl die Strukturen als auch die Menschen, mit denen wir eine Sanierung auf die Beine stellen können", sagt Sanktjohanser.

In der ehemaligen Druckerei möchte die "Freie Kunstanstalt" zunächst die "Seelos"-Ausstellung stattfinden lassen: Damit soll nicht nur die Geschichte einer ehemaligen Dießener Töpfer-Familie nacherzählt werden, sondern auch die Ortshistorie der vergangenen hundert Jahre. Das Wohn- und Arbeitshaus der Brüder Heinrich (1937-2017) und Hans-Georg Seelos (*1942) in der Buzallee ist kürzlich abgerissen worden, die Freie Kunstanstalt konnte zuvor einen Teil des Inventars bergen. Das Gebäude war bis unters Dach mit Unrat, aber auch mit Keramik, Kunst und zeitgenössischen Dokumenten angefüllt. In der Schreinerei Graf sortiert und archiviert der Verein nun die Fundstücke.

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SZ vom 02.02.2022
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