Süddeutsche Zeitung

Kultur:Dießener Farbspiele

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Beim Orgelkonzert im Marienmünster überzeugt Christoph Hauser mit sphärischen Nuancen und einem euphorischen Abschlusspendent.

Von Reinhard Palmer, Dießen

Seit der Ingolstädter Orgelbauer Caspar König 1739 die Dießener Orgel erbaut hatte, ist an dem Instrument einiges verändert, mehr oder weniger gut restauriert, erweitert worden oder auch verlorengegangen. Der Kirchenmusiker des Marienmünsters Stephan Ronkov hofft daher, der Orgel bald eine fundierte Klärung im Prospekt und Sanierung angedeihen lassen zu können. Es ist allerdings eine Bemühung auf einem sehr hohen Niveau, wie Christoph Hauser nun im Münsterkonzert erneut unter Beweis stellte.

Der Fürstenfeldbrucker Kirchenmusiker, der im kommenden Jahr zum Chef der Orgel in der Basilika Ottobeuren avanciert, machte die Klangqualitäten des Instruments am Sonntag zum Thema mit einer abenteuerlichen Reise durch die Jahrhunderte. Kein thematischer roter Faden also, sondern ein Erkunden der Klangfarben, das Überraschendes vor Ohren führte. Gänzlich frei darin fühlte sich Hauser in seiner Improvisation "auf Zuruf". Das Thema sollte "etwas von den Beatles" sein. Hauser entschied sich für "Yesterday" und wählte ein mystisches Klangspektrum mit entrückt-sphärischen Nuancen, über die sich die thematische Arbeit klar emporhob, nicht ohne eine gewisse Verspieltheit neben den solideren Variationen.

Der Vorteil der klanglichen Vielfalt der König-Orgel liegt vor allem in der Möglichkeit, Werke verschiedener Orgelschulen in ihrer ursprünglichen Klanggestaltung vortragen zu können. So bietet das Instrument beispielsweise auch reichlich Möglichkeiten, die französische Frische hervorzuzaubern, womit Hauser gleich zu Beginn mit dem heiter-tänzerischen "Les Sauvages" von Jean-Philipper Rameau für gute Laune sorgte. Das zur Euphorie gesteigerte Abschlusspendent stammte von einem belgischen Meister des 20. Jahrhunderts.

Flor Peeters war selbst Orgelvirtuose, legte daher in seinen Werken Wert auf Klarheit der Emotionen und Wirkungen, zudem eine gewisse Virtuosität zur Demonstration der (eigenen) spieltechnischen Bravour, die in der ausgewählten Toccata aus der Suite modale op. 43 mit einem dichten Stimmenwerk und flirrender Begleitstruktur auch für eine gesteigerte Fülle sorgte, von der sich aber die thematische Arbeit dennoch klar abzusetzen vermochte. Die helle, heitere Farbigkeit machte ein fulminantes Konzertfinale daraus.

Eine verspieltere Variante ähnlichen Charakters setzte Hauser ins Zentrum des Programms mit einer überaus unterhaltsamen Note. Auch wenn der US-Amerikaner James Hotchkiss Rogers zwischen der Romantik und der Moderne gewirkt hatte, konzentriert sich sein kompositorisches Werk auf die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, ohne sich der Moderne anzuschließen, die sich ja eher in Europa abspielte. Die tänzerischen Thematik und heitere Klangtemperierung bezauberten in der Toccatina dennoch.

Rogers blieb nicht der einzige US-Amerikaner im Programm, Philip Glass gehörte aber zu den führenden Köpfen der Musikentwicklung im 20. Jahrhundert, zeitweise auch der Zwölftonmusik zugewandt. Mit seinen Werken der Minimal Music, zu deren Pionieren Glass gehörte, schrieb er aber ein weit wichtigeres Kapitel der Musikgeschichte. "Mad Rush" gehört sicher zu den ansprechendsten Werken dieser Art. Hauser betonte in seiner Interpretation den meditativen Charakter in klangschöner Entrückung, hob die Steigerungen als euphorisches Flirren hervor, das in Rücknahem immer wieder nachhallte und aus dem ein lyrisch-luftiges Motiv schließlich emporstieg.

Die Dießener Orgel kann aber auch subtiler daherkommen. Der barocke Flötenzauber Bachs konnte Hauser daher in seiner vollen Klangsinnlichkeit und -wärme ausspielen. So gab sich in der Triosonate d-Moll BWV 527 das melismenreiche Andante höfisch-galant in tänzerischer Leichtigkeit. Ein reizvolles Dialogisieren zwischen Melos und Heiterkeit in einer ausgeprägteren Registrierung setzte der Orgelvirtuose im "Adagio e dolce" um, während sich das finale Vivace mit einem dichten Stimmengeflecht und einer ruhig dahinfließenden Melodiestimme in voller barocken Pracht entfaltete. Zunächst ähnlich Bachs Präludium und Fuge h-Moll BWV 544 mit einem komplexen, vorwärts drängenden Gefüge, das von einer ruhig schreitenden Fuge ausgebremst wurde und sich schließlich gar einem vergnüglicheren Thema zuwandte.

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