Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Vier Sonnen am Himmel

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Die Münchner Künstlerin Patricia London ante Paris zeigt in dem neuen Kunstraum "Flamingo Contemporary" am Bahnhof Possenhofen ihre dystopischen Landschaftsbilder in Bonbonfarben

Von Katja Sebald, Pöcking

Wenn es so warm geworden ist, dass die Flamingos im Starnberger See stehen, dann ist es vermutlich zu spät. "Flamingo Contemporary" heißt ein neuer Kunstraum am Possenhofener Bahnhof. Die Münchner Konzeptkünstlerin Patricia London ante Paris bespielt in den kommenden Wochen das aufgelassene Lagerhaus am Schafflergraben, das bereits im Rahmen der Offenen Ateliers als ungewöhnlicher Ausstellungsraum diente. Künftig soll es dort jeden Sommer ein bis zwei Ausstellungen geben.

Es ist ein Start unter denkbar schwierigen Bedingungen: Patricia London ante Paris macht normalerweise ihr Publikum zu Akteuren ihrer Kunst. Noch im Februar fanden mehrere ihrer partizipativen Performances im Museum Villa Stuck statt. Jetzt schickt sie den Käufern ihrer Bilder per Mail die Handlungsanweisung für eine "einsame, anonyme Selfie-Performance" inmitten der Natur.

Die meisten der in Possenhofen gezeigten Bildern sind Landschaften, die man auf den ersten Blick für geradezu paradiesisch halten könnte. Das See- und Alpenpanorama in knalligen Bonbonfarben, darüber ein Postkartenhimmel, davor bunte Blumen oder eben Flamingos, das Kitschmotiv par excellence. Titel wie "Huflattichsendemast vor Roseninsel" und "Passionsblumendrohne über Oberammergau" legen nahe, dass es sich hier um dystopische Landschaften handelt, mit denen die Künstlerin auf die fortschreitende Zerstörung der Natur aufmerksam machen will.

Über einem großformatigen Landschaftstableau in Grau und Schwarz stehen vier bedrohlich anmutende Sonnen. Und eine vielteilige Serie in Hinterglastechnik zeigt den Walchensee, der von einer geheimnisvoll wuchernden "Cloud" überschattet wird.

Die durch die Pandemie bestimmte neue Realität eröffnet nun auch ganz neue Zugänge zur Kunst: "Flamingo Contemporary" ist nur nach telefonischer Anmeldung zu besichtigen. Die Künstlerin führt die Besucher einzeln oder in Kleinstgruppen durch die über drei Etagen reichende Ausstellung. Wer eines der gezeigten Landschaftsbilder "cum EASP" erwirbt, erhält die Anweisung, sich an den Ort zu begeben, den das Bild zeigt, um dort die EASP aufzuführen, also die "einsame, anonyme Selfie-Performance". Nach dem Wunsch der Künstlerin "für sich alleine, mit dem Mut, sich über sich selbst lustig zu machen, und um sich den Ort und den Blick auf die Landschaft real, mental und emotional anzueignen". Dahinter steht für sie die Frage, wem die Landschaft gehört und wer für sie verantwortlich ist.

Wem ein Haus gehört, das laut Stifterwillen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, ist eine weitere Frage, die Patricia London ante Paris in dieser Ausstellung stellt: Eine Serie von Digitalzeichnungen zeigt das Haus von Hans Albers in Garatshausen und stellt es dem Atelier des Malers Paul Ernst Wilke in Bremerhaven gegenüber, das mit öffentlichen und privaten Mitteln von dem Abriss gerettet wurde.

Patricia London ante Paris wurde 1959 in München geboren. Sie studierte von 1983 und 1988 bei Daniel Spoerri an der Akademie der Bildenden Künste in München. Zu ihren konzeptionellen Arbeiten gehörte bereits ihre Diplomarbeit, die im offiziellen Wechsel ihres ursprünglichen Namens zu "London ante Paris" bestand: In einer Vitrine zeigte sie damals ihren neuen Ausweis und alle anderen Dokumente, die mit dem Namenswechsel verbunden waren. Seither wurde sie mit zahlreichen Preisen und mit Stipendien bedacht. Sie gestaltete unter anderem das Treppenhaus des Kulturreferats München und wurde 2019 mit dem Förderpreis der Kurt-Eisner-Kulturstiftung ausgezeichnet.

"Flamingo Contemporary" ist bis zum 15. August jeweils von Donnerstag bis Samstag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Die Besichtigung ist nur nach Terminvergabe unter 0151-50187537 möglich.

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Quelle:
SZ vom 29.07.2020
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