Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:In einer Stunde durch Europa

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Robert Förch zeigt im "Kunststück" in Dießen Linolschnitte, die auf seinen Reisen entstanden sind. Heutzutage wirken sie wie Sehnsuchtsbilder.

Von Katja Sebald, Dießen

Es sind ruhige Bilder in sanften, zurückhaltenden Farben. Sie zeigen "Orte in Europa" und erzählen vom langsamen Reisen in vergangenen Tagen. In Zeiten, in denen das Reisen nur eingeschränkt möglich ist und der touristische Rummel dennoch überall wartet, dürften sie für die meisten Menschen echte Sehnsuchtsbilder sein. Mit den Linolschnitten des Stuttgarter Künstlers Robert Förch macht das Einrichtungsgeschäft "Kunststück" an der Dießener Herrenstraße zum zweiten Mal seinem Namen alle Ehre und verwandelt sich in eine Kunstgalerie.

Robert Förch, der in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag feierte, studierte in den Fünfzigerjahren bei Karl Rössing an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, war 1961 Stipendiat in der Villa Massimo und arbeitete danach viele Jahre als Lehrer für Zeichnen und angewandte Grafik. Seine Leidenschaft gilt der Druckgrafik und hier vor allem dem Linolschnitt, dessen Technik er virtuos beherrscht.

Förchs Werk umfasst mehr als 300 Linolschnitte, die meisten davon mehrfarbig und fast ausnahmslos von Hand gedruckt. Linolschnitt gehört, wie Holzstich und Holzschnitt, zu den Hochdruckfahren. Im Unterschied zu den Tiefdruckverfahren wie etwa Kupferstich, bei dem in die Druckplatte geätzte Vertiefungen mit Farbe gefüllt werden, sind hier die druckenden Teile erhaben. Beim Linolschnitt werden die herausgeschnittenen Negativmuster mit Farbe überwalzt und dann gedruckt. Das Verfahren eignet sich besonders für mehrfarbige Drucke, wobei die hellen Farben immer zuerst gedruckt werden. Jedes Bild benötigt bis zu fünf Druckplatten, erst auf dem Papier entsteht das endgültige Motiv. Durch die glatte Oberfläche des Linoleums entsteht die typische grießige Struktur. Nicht nur die exakten und ungemein feingliedrigen Linienführungen zeichnen Förchs Arbeiten aus, die subtilen Farbabstufungen verleihen ihnen eine beinahe malerische Qualität.

Seine Motive fand der Künstler stets auf Reisen. In einem Interview erzählte er, dass der Süden und der Norden Europas eine besondere Faszination auf ihn ausübten. So reiste er etwa am Ende eines Studienaufenthalts in Dublin durch Irland, das Blatt "Kleines Hotel am irischen Meer" aus dem Jahr 1958 ist die älteste Arbeit in der Dießener Ausstellung. Das jüngste stammt aus dem Jahr 2004 und entstand "Im ligurischen Hinterland". Es waren nicht die touristischen Attraktionen, für die sich der Künstler interessierte, sondern die kleinen Momente abseits der großen Wege: Licht und Schatten auf einer Piazza und die auffliegenden Tauben vor einem düsteren Gebäude, ein paar Büsche an der Ufermauer am Lago Maggiore, die Reihen der Tulpenfelder hinter den Dünen und der Himmel über der Nordseeinsel Juist.

Allen Zeitströmungen zum Trotz blieb Förch dem Gegenständlichen treu und bewahrte sich einen gleichsam romantischen Blick auf die Welt der Dinge. Dennoch sind seine Arbeiten keineswegs als Abbildungen, sondern als höchst subjektive Interpretationen der Wirklichkeit zu verstehen. Die Spuren, mit denen der Mensch sich in der Landschaft eingeschrieben hat, waren für ihn nicht selten Anlass, das Banale oder gar Hässliche in etwas Schönes zu verwandeln: So etwa in dem grafisch ungemein reizvollen und geradezu abstrakt anmutenden Motiv "Vergittertes Rebland", das den weiten Blick über einen abgeernteten Weinberg zeigt.

Die Ausstellung "Orte in Europa" von Robert Förch ist bis zum 13. November jeweils von Mittwoch bis Freitag von 10 bis 12.30 Uhr und von 15 bis 18 Uhr sowie am Samstag von 10 bis 14 Uhr im "Kunststück" in Dießen, Herrenstraße 16, zu sehen. Am 17. Oktober findet von 12 Uhr an eine Künstlerführung statt, die Teilnahme ist nur mit bestätigter Voranmeldung per E-Mail an kontakt@kunststueck.com möglich.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2021
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