Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Berge aus der Ferne

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Die aus Italien stammende Malerin Annunciata Foresti richtet den Blick in Richtung Süden und zeigt in ihrem Atelier im Dießener Stellwerk die "Stillen Riesen"

Von Katja Sebald, Dießen

Annunciata Foresti hat den Sommer in den Bergen verbracht. Sie war in den Ötztaler Alpen und auf dem Zückerhütl in Tirol.

Aber nein, nicht mit den Bergschuhen an den Füßen, sondern auf imaginären Wandertouren mit Pinsel und Farbe zu Hause in ihrem Dießener Atelier. Und vielleicht ist das der Grund, warum ihre "Stillen Riesen", so der Titel ihrer aktuellen Ausstellung im Stellwerk, trotz der hochaufragenden und schneebedeckten Gipfel eine beinahe schwebende sommerliche Leichtigkeit ausstrahlen. Weiß dominiert diese neuen Bilder, aber es ist ein luftiges Weiß, das an Eiscreme erinnert, und die Sonne hat blaue, grüne und gelbe Nuancen wie Lichtpunkte in dieses Weiß hineingezaubert.

Die Berge waren nicht nur einfach ein neues Thema, wie es sich die Künstlerin selbst jedes Jahr für die Sommermonate stellt, wenn sie in ihrem ungeheizten Ausstellungsraum im großen Format arbeiten kann: Vielmehr will Foresti mit diesen Bildern, für die sie sich von Fotos von den Bergen und vielleicht auch vom Blick aus dem Atelierfenster auf die lichte Bergkulisse im Süden des Ammersees inspirieren ließ, die Berge nicht eins zu eins abbilden, sondern erzählen, was die Berge für sie bedeuten: So wie sie den See und das Meer liebt, aber ziemlich wasserscheu ist, so liebt sie auch die Berge aus der Ferne.

Foresti wurde 1953 in einem Dorf in der Nähe von Bergamo in Norditalien geboren. Ihr Vater kam als einer der ersten Gastarbeiter nach Deutschland und fand beim Bau der Siedlung Neusöcking Arbeit. 1959 zog die Familie nach und lebte anfangs mit in der Barackensiedlung, in der die Bauarbeiter untergebracht waren. Für die lange Fahrt mit der Eisenbahn über die Berge hatte die Mutter den Kindern Knoblauchketten um den Hals gehängt - gegen Krankheiten und gegen böse Geister. Seit 1981 lebt Foresti als freischaffende Künstlerin in Dießen, das ehemalige Stellwerk an den Bahngleisen hat sie sich zum Atelierhaus umgebaut.

Ihre neue Heimat am Nordende der Alpen ist das landschaftliche Spiegelbild ihrer alten Heimat südlich der Alpen, hier wie dort habe sie in etwa der gleichen Entfernung zu den Bergen gelebt, erzählt sie. Das Ankommen in einem neuen Leben, in einem kalten Land, dessen Sprache sie nicht verstand, thematisierte Foresti bereits vor einigen Jahren in dem Projekt "Geliehene Heimat".

Nachdem sie sich in früheren Malsommern dem Wind und den Wellen auf dem nahen Ammersee oder den Blumen in ihrem üppigen Garten gewidmet hatte, richtete sie diesmal den Blick noch einmal in Richtung Süden. Die Alpen erlebt sie keineswegs als trennend oder gar bedrohlich, im Gegenteil: "Ich liebe die bildliche Vorstellung der Berge", sagt sie. Sie interessiert sich für das und die Entstehung der Berge, für ihre vermeintlich starre Ruhe, die jedoch durch kontinuierliche Veränderungen im Lauf der Jahrtausende entstanden ist. Und diese "Stillen Riesen" wollte sie mit den Mitteln der Malerei einfangen.

Auch diesmal sind ihre Landschaften in erster Linie Stimmungsbilder. Ein Foto oder ein realer Moment dienen meist nur als Ausgangspunkt. Der Blick nach außen ist Impuls für eine Malerei, die vornehmlich inneres Erleben und Emotionen ausdrücken will. Sie sagt: "Die Natur ist meine Lehrmeisterin. Sie bildet sich in der Welt und in meinen Bildern ab. Das kann abstrakter oder konkreter sein, je nach Standort und je nachdem, wie ich mich der Natur nähere."

"Die stillen Riesen" sind noch bis zum 21. Oktober jeweils Samstag und Sonntag in der Zeit von 14 bis 18 Uhr im Stellwerk an der Seestraße 5 in Dießen zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2018
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