Süddeutsche Zeitung

Orff-Festspiele:Herber Verlust

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Andechs gerät seit Jahren regelmäßig mit Zank und Streit in die Schlagzeilen. Die Absage der Festspiele passt in diese Reihe

Von Astrid Becker, Andechs

Wieder einmal wird in Andechs gestritten. Wieder einmal ist von nicht zu überbrückenden Differenzen die Rede. Und wieder einmal nimmt eine Geschichte am Heiligen Berg ein ganz und gar unheiliges Ende. Nicht still und heimlich, sondern laut und gewaltig schlug die Entscheidung des Klosters ein, die Carl-Orff-Festspiele aufzugeben. In diesem Jahr sollen sie zum letzten Mal abgehalten werden, dann ist Schluss.

Kurzfristig hatte das Kloster zu einer Pressekonferenz am Donnerstag gebeten, auf der es das Aus des seit 1998 existierenden Spektakels verkündete. Offenbar für alle eine Überraschung: Niemand, nicht einmal die Andechser Bürgermeisterin Anna Neppel, die selbst im Freundeskreis Kloster Andechs sitzt, war darüber informiert worden. Dass der Ärger, den es bereits im vergangenen Jahr wegen der "Leonce und Lena"-Aufführung gegeben hatte, so eskalieren könnte, hatte auch sie nicht abgesehen. Neben den vielen Mitwirkenden, die all die Jahre mit Freude und Stolz an den Festspielen teilgenommen haben, dem künstlerischen Leiter Marcus Everding und den Andechser Bürgern dürfte die Nachricht auch einen Mann besonders bestürzt haben, dessen letzte Spuren am Heiligen Berg nun komplett ausgelöscht sind: Anselm Bilgri. Zusammen mit dem jetzigen Vorsitzenden der Carl-Orff-Stiftung hatte er, damals noch in seiner Funktion als Prior des Klosters, zu Orffs zehnten Todestag 1992 ein Wochenende mit Musik initiiert.

Sieben Jahre später entwickelten sich mit der Berufung von Hellmuth Matiasek zum künstlerischen Leiter und dem Umbau des ehemaligen Heuschobers und Schweinestalls "Florianstadl" zum Konzertsaal die Festspiele. "Ja, die Festspiele waren schon ein bisserl mein Baby", so Anselm Bilgri auf Anfrage. Via SMS habe er vom Aus der Festspiele erfahren, sagt er, der derzeit in Südtirol ein Seminar hält. Er habe sich immer sehr gefreut, dass die Festspiele auch nach seinem Weggang weiter existierten. Das ist nun vorbei. "Ich bedauere das, denn ich glaube, dass sie schon zu der kulturellen Ausstrahlung von Andechs beigetragen haben", sagt Bilgri. Mit dieser Meinung dürfte er nicht allein sein. Auch die Bürgermeisterin sprach von einem herben Verlust an Attraktivität ihrer Gemeinde. Zu Recht.

Seit Bilgri das Kloster 2004 verlassen hat, ist Andechs immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Da waren die jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Molkerei Scheitz, mit der das Kloster unter Bilgri bestens zusammenarbeitete. Da waren die Querelen rund um die Besetzung wichtiger Schlüsselfunktionen bei den Festspielen. Da ist der Ärger vieler um die bisher erfolglose Suche des Klosters nach einem Investor für ihren "Andechser Hof" in Tutzing. Und da ist jetzt das angekündigte Ende der Carl-Orff-Festspiele. Erfreulich ist dies alles jedenfalls nicht.

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Quelle:
SZ vom 09.05.2015
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