Süddeutsche Zeitung

1001 Jahre Inning am Ammersee:Künstlerischer Festakt zum Jubiläum

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In einer Stunde vom Mittelalter in die "Jetztzeit": Mit der "Ouvertüre zum Kaisertraum" schlägt der Heimatverein eine Brücke von Kaiser Heinrich II. bis zur Nachbarschaftshilfe.

Von Patrizia Steipe, Inning

Normalerweise gibt es Blumen zum Jubiläum, vielleicht auch eine gute Flasche Wein oder ein Ständchen. In Inning durfte sich die Nachbarschaftshilfe auf die Premiere einer Theatervorführung als Präsent für das 50-jährige Bestehen freuen, Jutta Göbber schenkte sie dem Verein zum Festakt. Und einen Tag später gab es dann noch eine öffentliche Aufführung: "Ouvertüre zum Kaisertraum" war das Stück übertitelt. Göbber, Daniele Herzog und Bärbl Mehnert-Jaeger hatten den Text geschrieben. Die Musik komponierte Martin Vogel, Lehrer an der Inninger Musikschule. Und der Inhalt? Natürlich etwas Historisches. Schließlich ist Göbber Vorsitzende des Vereins Heimatgeschichte. Bei der etwa einstündigen "Ouvertüre zum Kaisertraum" wurde inhaltlich eine Brücke vom Besuch von Kaiser Heinrich II., der sich heuer zum 1001. Mal jährt, bis zu den vielfältigen Aktivitäten der Nachbarschaftshilfe geschlagen.

Eigentlich hatte Göbber ein großes Spektakel in mehreren Bildern rund um den Kaiserbesuch vor 1000 Jahren geplant, so wie bereits bei den Historienspielen für die Ortsteile 2012 und 2016. Wegen Corona musste aber alles verschoben und auch abgespeckt werden. Nach mehreren Anläufen ist der Kaisertraum jetzt endlich als Ouvertüre zu sehen: Vogel kombinierte mittelalterliche Musik mit modernen Instrumenten und führt das Publikum damit in das Jahr 1001. Sprecherin Göbber erinnerte - unterstützt von Daniel Großkopf und Andi Sturm von der Theatergruppe d'Gmoagaukler z'Inning - an die historischen Ereignisse am 15. November 1021. Damals nächtigte der Kaiser mit seinem Gefolge eine Nacht in "Uningen". Mit 60 000 Mann soll er damals nach Italien gezogen sein - so steht es zumindest auf dem Fries am Kaiserhaus am Inninger Marktplatz. Für Göbber ist die Zahl stark übertrieben. "Vielleicht steht eine Null zuviel auf dem Haus", meinte sie. Zweifellos aber muss den etwa 200 Einwohnern des Dorfes die kaiserliche Truppe damals riesig erschienen sein.

Auftritt des mittelalterlich gewandeten Gospelchors, der "For Heaven's Sake Singers" in der Mehrzweckhalle: Ihr Dorflied hatte Vogel für die Aufführung schon 2012 geschrieben. Die Elendsfiguren interpretierten die Mühsal der damaligen Bauern. Von dem Kaiserbesuch erhoffte sich das Volk Vorteile für das Dorf, "doch am Morgen danach herrschte Katerstimmung", sagte Göbber - und das nicht nur, weil zuviel Alkohol geflossen ist, wie das feucht-fröhliche Torkeln auf der Bühne zeigte. "Was hatte Inning vom Kaiserbesuch?", sinnierte Göbber. In der Nachsicht war das nur eine Urkunde, in der der Name Innings erstmals erwähnt wurde. Damit hatte der Kaiser eine Schenkung an ein Kloster legitimiert.

Vom Mittelalter ging es nahtlos ins 18. Jahrhundert, in dem die Pfarrkirche errichtet wurde, bevor auf der Bühne die "Jetztzeit" in Szene gesetzt wurde - und zwar in Form des Büros der Nachbarschaftshilfe: Eine Frau kam mit dem Rollator hineingefahren und brauchte einen Fahrdienst, eine Mitarbeiterin klagte, dass der Strom in der Küche ausgefallen und damit die Verköstigung von Senioren und Kitas in Gefahr sei. Ein Schulkind suchte die "Mitti", die Mittagsbetreuung, und dann klingelte auch noch das Telefon. Mitglieder der Schauspielgruppe Ammersee-Engel Inning hatten diesen Part einstudiert. "Was hätte Heinrich II. vor 1001 Jahren wohl über dieses Engagement gesagt?", fragte Göbber und schloss mit dieser Frage den Kreis.

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