Süddeutsche Zeitung

Städtische Galerie Rosenheim:Büffeln unter Bildern

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In Rosenheim wurde ein Saal der Städtischen Galerie in ein Klassenzimmer umgewandelt

Von Sabine Reithmaier, Rosenheim

Die Städtische Galerie Rosenheim hat sich gewandelt. Sie ist keine Freizeiteinrichtung mehr, sondern eine Schule. Seit knapp einer Woche sitzen im Saal 1 des markanten Ausstellungsgebäudes die angehenden Abiturienten des Sebastian-Finsterwalder-Gymnasiums. In gebührendem Abstand natürlich, aber dafür zwischen den Plastiken Erika Maria Lankes', den Gemälden Fried Stammbergers und den wuchtigen Leinwänden Peter Tomschiczeks.

Die aktuelle Ausstellung "Die 80er!" mit den drei Künstler, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiern und mit ihrem künstlerischen Schaffen das kulturelle Leben Rosenheims und der Region maßgeblich geprägt haben, ist seit 1. November wegen des Teil-Lockdowns geschlossen. Die zweite Schließung in diesem Jahr hinzunehmen fiel Galerieleiterin Monika Hauser-Mair zwar schwer, aber sie akzeptierte sie. "Aber mich hat das wahnsinnig umgetrieben, dass unsere großen luftigen Räume einfach leerstehen und wir den Kontakt zur Stadt, zu unseren Besuchern völlig verlieren", sagt sie. Gemeinsam mit ihrem Team suchte sie nach Lösungen, plante für den großen Saal eine Art Galerie-Laden, um Künstlereditionen zu verkaufen. "Wir wollen doch unsere Künstler unterstützen." Doch dann meldete sich während der Herbstferien Brigitte Würth, die Direktorin des Gymnasiums, die dringend nach Räumen suchte, die allen geforderten Hygiene-Standards entsprachen und es ermöglichten, den Präsenzunterricht fortzusetzen. Hauser-Mair sagte sofort zu.

Nachdem auch die Behörden nichts gegen die Kooperation einzuwenden hatten, wurde der Saal in Windeseile in ein Klassenzimmer verwandelt. Einige wertvolle Arbeiten wurden zwar abgehängt, Plastiken verschoben. Aber seit vergangenen Montag sitzt der Abschlussjahrgang (Q 12) im Saal und lernt Mathe, Geschichte oder Ethik. Den Lehrer schadet der kleine Spaziergang zum Stundenwechsel vermutlich auch nicht, zumal die Schule direkt gegenüberliegt.

Solange der Teil-Lockdown anhält, wird in der Galerie Unterricht stattfinden. Das ungewöhnliche Klassenzimmer stoße in der Stadt überall auf positive Resonanz, berichtet Monika Hauser-Mair. "Für uns ist es einfach wichtig, etwas zu machen und uns von der Krise nicht lähmen zu lassen", findet sie. Den Gedanken an den Galerieladen hat sie nicht aufgegeben. "Wenn der Lockdown länger dauert, ziehen wir damit in den zweiten Saal." Und an das Verschieben von Ausstellungen hat sie sich auch schon fast gewöhnt. Die eigentliche für Dezember geplante Schau "La Belle Époque - Jugendstil in Rosenheim" hat sie bereits auf Dezember 2021 verschoben. Dafür wird die aktuelle Ausstellung "Die 80er!" bis zum 23. Dezember verlängert, damit nicht nur Schüler und Lehrer in den Genuss der Kunstwerke kommen.

Dem Buchautor und Illustrator Quint Buchholz, schon öfter Ausstellender in der Galerie, gefällt die neue Form von Kreativität jedenfalls sehr, wie er in einem Kommentar auf Instagram bekundet: "Das ist im Jetzt sein und den Blick in die Zukunft richten ...!"

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Quelle:
SZ vom 14.11.2020
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