Süddeutsche Zeitung

Stadtpolitik:Das verflixte dritte Jahr im Rathaus

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Von Dominik Hutter

Die Seitenhiebe waren nicht zu überhören. "Wir nehmen das Thema als mühsam wahr", sagte SPD-Planungssprecher Christian Amlong. "Auch gegenüber dem eigenen Koalitionspartner." Die Rede war vom Wohnungsbau. Wenig später schob Stadtratskollegin Bettina Messinger in puncto Fahrrad nach, dass es nicht immer einfach sei, den Bündnispartner von Abstrichen für die Autofahrer zu überzeugen.

Der Bündnispartner, das ist im Rathaus die CSU, und über die sagte schließlich Fraktionschef Alexander Reissl: "Wir haben bei ein paar Themen Dissens. Ich würde mir manchmal wünschen, dass sie ihren Anspruch an sich selbst als moderne Großstadtpartei auch durchsetzt."

Es sind Worte der Distanz, die da in den Räumen der SPD-Stadtratsfraktion fallen. Dabei soll doch Bilanz gezogen werden, es geht um ein Resümee von zwei Jahren Zusammenarbeit zwischen SPD und CSU. Das fällt, wenig überraschend, insgesamt positiv aus. Die SPD sei der Motor der Rathaus-Politik, versichern die Spitzen der Fraktion bei belegten Brezen und Croissants. Man habe viel erreicht seit dem 2. Mai 2014 - damals nahm die neue Rathauskonstellation ihre Arbeit auf.

Inzwischen, das ist nicht mehr zu übersehen, gehen sich die Partner ziemlich auf die Nerven. Diese Woche erst reichten zunächst die CSU und dann noch ein an alte Zeiten erinnerndes rot-grünes Bündnis fast gleichlautende Anträge ein. Es ging um Fleisch aus artgerechter Tierhaltung, kein wirklich knallhartes Politikum also. Zumal alle der gleichen Meinung waren. Kooperiert wurde trotzdem nicht, die SPD zeigte sich vom Alleingang der Christsozialen überrascht. Und verschnupft.

Wer derzeit im Rathaus die These verkündet, die große Koalition habe einen Durchhänger, stößt damit nicht auf Widerspruch. Nicht einmal bei den Führungsspitzen. Es wirkt, als sei das Potential an politischen Gemeinsamkeiten erst einmal aufgebraucht. Große Teile des 2014 beschlossenen Bündnispapiers sind abgearbeitet oder befinden sich zumindest längst in der Diskussion.

Bislang habe man mit Geld viel zudecken können, sagt ein führender CSUler. Neue wegweisende Initiativen sind aktuell jedoch nicht in Sicht - von Vorstößen im Wohnungsbau einmal abgesehen. Gut möglich also, dass den Großkoalitionären ein holpriger Weg bevorsteht. Irgendwann kommen auch die umstrittenen Projekte an die Reihe. Und bis zur Wahl sind es noch vier Jahre.

Gülseren Demirel, als Fraktionschefin der Grünen so etwas wie die Oppositionsführerin im Rathaus, fragt sich mit Bangen, was da wohl noch kommen wird. Konflikte habe es auch in der früheren rot-grünen Koalition gegeben. Anders als jetzt sei aber ein gewisses Grundvertrauen dagewesen, auf das man stets bauen konnte.

Eine große Rolle beim Vertrauensverlust der beiden Großkoalitionäre haben zwei Personalien gespielt: Brigitte Meier und Markus Hollemann. Die SPD hat der CSU bis heute nicht verziehen, wie rigoros der Bündnispartner am Stuhl der Sozialreferentin sägte, die doch eigentlich die Herausforderungen des Flüchtlingsstroms gut gemeistert hatte.

Für Teile der CSU war dies wiederum eine Reaktion auf die harsche Haltung der Sozis zum designierten Umwelt- und Gesundheitsreferenten Markus Hollemann, der seine Mitgliedschaft in umstrittenen Fundi-Organisationen verschwiegen hatte.

Dabei hatte alles so schwungvoll begonnen. Unter der Leitung des neuen und hochmotivierten Oberbürgermeisters Dieter Reiter wurde der Polit-Knatsch ums städtische Klinikum beigelegt, jahrelang Verschlepptes endlich angepackt: das tägliche Verkehrschaos am Marienplatz, die bröckelnden Schulbauten, der Leerstand im städtischen Wohnungsbestand, der Investitionsstau beim MVV.

Die SPD verwies bei ihrer Bilanz zudem auf die enormen Ausgaben für den Wohnungsbau. Der CSU attestiert SPD-Planungssprecher Amlong andere Schwerpunkte: vor allem den Individualverkehr.

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SZ vom 30.04.2016
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