Süddeutsche Zeitung

Stadtplanung:"Bedenkliche Entwicklung" an der Leopoldstraße

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Von Alfred Dürr

Es ist ein eher unauffälliges Wohn- und Geschäftshaus aus der Nachkriegszeit. Ein Denkmal ist der Komplex an der Ecke Franz-Joseph-Straße und Leopoldstraße in Schwabing nicht, und er steht auch nicht unter Ensembleschutz. Dennoch habe diese Immobilie aus den Sechzigerjahren mit ihrer zeittypischen Architektur eine ganz bestimmte Bedeutung für das Stadtbild, sagt Stadtheimatpfleger Gert Goergens. Nun wird dieses Gebäude umgestaltet.

Es bekommt mit einer neuen Fassade auch einen völlig neuen Charakter. Der Bauherr, die Munich Investment Property GmbH & Co KG, will trotz aller Kritik an den bisherigen Plänen festhalten. Entstehen soll ein Eckhaus, sehr schlicht, zurückhaltend und ohne große Gesten, mit Läden, Praxen und Büros. Im Dachgeschoss sind Wohnungen vorgesehen.

Die Leopoldstraße ist im Umbruch

An diesem Haus entzündet sich ein Konflikt von grundsätzlicher Bedeutung. Seit einigen Jahren ist die Leopoldstraße im Umbruch. Vor allem auf der Westseite der bekannten Prachtmeile haben eine Reihe von Büro- und Geschäftshäusern die Nachkriegsbauten ersetzt. Vor mehr als 20 Jahren verschwand der in den Sechzigerjahren erbaute sogenannte Schwarze Riese.

Das Hertie-Hochhaus war nicht unbedingt schön, verlieh der Straße aber etwas Besonderes. Der flachere Nachfolgebau erregte kaum noch Aufmerksamkeit. Kritiker, wie etwa der Stadtheimatpfleger, fürchten, dass die Leopoldstraße mit einer eher funktional geprägten Architektur, den Filialen großer Ketten und nur noch wenigen individuellen Läden immer anonymer wird oder gar ins Banale kippt. "Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung", stellt der Stadtheimatpfleger fest.

Aus diesem Grund wurde auch das Eckhaus an der Franz-Joseph-Straße vor Kurzem der Stadtgestaltungskommission zur Begutachtung vorgelegt. Die Mehrheit der Experten, die den Stadtrat in strittigen Architekturfragen berät, äußerte Einwände. Das Haus in seiner jetzigen Form transportiere mit einfachen Mitteln - einer Natursteinfassade ums Erdgeschoss, zwei Erkern oder Ornamenten - Stadtgeschichte, sagt der Heimatpfleger. Nun solle alles verschwinden, was einen eigenen Charakter habe und durch Schaufenster-Fronten ersetzt werden. Ebenfalls nicht erhalten bleibe die Tafel am Erker mit dem Hinweis auf den jüdischen Maler Julius Wolfgang Schülein, der im Gebäude von 1908 bis 1930 sein Atelier hatte.

Das Gebäude darf eine moderne Gestalt bekommen

Albert Blaumoser vom Büro Blaumoser Architekten Stadtplaner, Starnberg, der für den Entwurf zuständig ist, sieht das anders. Das Haus werde künftig neu genutzt. Wo bislang zum Beispiel die Schalterräume einer Bank waren, sollen Läden einziehen. "Eine Stadt darf sich erneuern", sagt Blaumoser. Es sei legitim, dem Gebäude eine moderne Gestalt zu geben: "Auch hier entsteht wieder ein Stück Stadtgeschichte." Außerdem habe man von der Stadtgestaltungskommission keine Hinweise erhalten, was denn nun konkret an dem vorgelegten Entwurf zu verändern sei.

Der Investor beruft sich auf sein Baurecht. Fragen des Denkmal- oder Ensembleschutzes würden in diesem Fall nicht berührt, es handle sich auch nicht um eine "grobe Verunstaltung", sagt Architekt Blaumoser. Das Projekt füge sich in die Umgebung ein, also stehe einer Baugenehmigung nichts im Weg. Damit geht es jetzt auch um die Frage, ob auf die Stadt bei Verzögerungen Entschädigungsforderungen zukommen könnten.

Die Stadtgestaltungskommission erteilt zwar "nur" Empfehlungen in städtebaulicher und baukünstlerischer Hinsicht an den Stadtrat. Das aber hat Gewicht. In der Regel versuchen Bauherrn, Architekten und die Verwaltung deshalb bei strittigen Fragen einen Konsens zu finden. Im Fall Leopoldstraße scheint das schwierig zu werden. Ein Bauherr, der so deutliche Einwände gegen sein Projekt bekomme, könne doch nicht sagen, das alles kümmert mich nicht, meint Goergens: "Wenn eine solche Haltung Schule macht, dann können wir als Stadtgestaltungskommission doch sofort einpacken."

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SZ vom 24.02.2016
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