Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Ideengeber für ein modernes München

Lesezeit: 1 min

Der Architekt und Stadtplaner Karl Klühspies, ein Pionier des bürgerschaftlichen Engagements, ist im Alter von 94 Jahren gestorben.

Von Alfred Dürr, München

Wenn es um die Planung von Hochhäusern, neuen Stadtvierteln oder verkehrsberuhigten Straßen und Plätzen geht, ist es heute selbstverständlich - und auch gesetzlich verankert -, dass Bürger ihre Vorstellungen und Forderungen äußern können. Der in München geborene Architekt und Stadtplaner Karl Klühspies war ein Pionier des bürgerschaftlichen Engagements. Er wurde in den 1960er Jahren zu einem wichtigen Ideengeber und zu einer Leitfigur, als es um die Frage ging, wie sich München nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zu einer modernen und lebenswerten Großstadt entwickeln sollte. Wie bändigt man die Autoflut? Was wird mit dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs? Wo kann man Ruhezonen in der Innenstadt schaffen? Schwierige Fragen, über die damals teils mit großer Leidenschaft öffentlich gestritten wurde.

Er kämpfte für die Straßenbahn in München

Klühspies war bis ins hohe Alter hinein ein im Ton leiser, eher bescheiden wirkender Aktivist. Aber er setzte sich beharrlich, sachlich fundiert und für die Behörden oft unbequem mit Diavorträgen und auf Podiumsdiskussionen dagegen ein, dass zum Beispiel autobahnähnliche Hochstraßen nach amerikanischem Vorbild am innerstädtischen Isarufer oder am Viktualienmarkt zerstörerische Schneisen schlugen. Zu seinen Verdiensten wird auch gezählt, dass die Straßenbahn in München nicht aufs Abstellgleis fuhr, sondern dass dieses Verkehrsmittel sogar eine Renaissance erlebte. Im vergangenen Dezember wies Alt-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bei einer kleinen Feier für den Aktivisten-Veteranen darauf hin, wie sehr sich Klühspies für die Mieter in der Innenstadt und den umliegenden Wohnquartieren eingesetzt habe. Die City sollte, so Planungsüberlegungen, deutlich stärker gewerblich genutzt und zum Geschäftszentrum werden, um die Anziehungskraft zu steigern. Mieter hätten das Nachsehen gehabt, wären diese Konzepte umgesetzt worden.

Klühspies und seine Mitstreiter haben vor Jahrzehnten mit ihrem Protest zum Beispiel gegen den Altstadtring-Tunnel am Prinz-Carl-Palais eine breite Debatte ausgelöst, die vom damaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) und der Stadtverwaltung ernst genommen wurde. In der Folge gründeten Klühspies und andere Persönlichkeiten den Verein "Münchner Forum", der sich bis heute kritisch mit Fragen der Stadtentwicklung beschäftigt. Nicht zuletzt hat Klühspies auch an detaillierten Plänen zur Öffnung und Reaktivierung der unterirdischen Stadtbäche gearbeitet.

Für sein Engagement erhielt er die Theodor-Heuss-Medaille der Theodor-Heuss-Stiftung. Die Stadt München verlieh ihm die Medaille München leuchtet in Gold. Am vergangenen Donnerstag ist Karl Klühspies im Alter von 94 Jahren in München gestorben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5731776
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dü.
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.