Süddeutsche Zeitung

Stadtgestaltung:Am Pariser Platz gibt es nun ein bisschen Dschungel

Lesezeit: 3 min

Von Sebastian Krass

Es gibt sie schon noch, die Menschen, Männer zumeist, die auf den Bänken um den Platz herumlungern, die nach einer Weile ein paar leere Bierflaschen neben sich stehen haben - und stets eine neue Halbe in der Hand. Aber sie sind nicht mehr die einzigen, die es sich auf dem Pariser Platz gemütlich machen. In der Mitte sitzen jetzt auch Eltern mit ihren Kindern, Paare im trauten Gespräch zu zweit, manchmal sogar Geschäftsleute mit ihrem Laptop. Sie lassen sich nieder auf einer kreisförmigen steinernen Bank, die ein üppiges Blumenbeet umfasst.

Seitdem die Sitzgelegenheit da ist, ist der Pariser Platz quasi neu erfunden. Er ist von einem Platz, den die meisten zügig queren, weil das schneller geht, als außen herumzulaufen, zu einem Ort geworden, wo man gern rastet. Er ist ein Beispiel, das zeigt, wie einfach sich öffentlicher Raum aufwerten lässt - und wie wichtig Grün dabei ist.

Die Verschönerung von Plätzen ist ein Thema, das Politik und Verwaltung zunehmend beschäftigt. Dazu hat der Stadtrat sogar ein eigenes Programm beschlossen. "Fünf Plätze attraktiv gestalten" heißt es, und die Kommunalpolitiker haben einiges an Geld locker gemacht, um aus der Kreuzung Lilienstraße/Rosenheimer Straße am Fuß des Gasteigs, dem St.-Pauls-Platz nahe der Theresienwiese, dem Platz um das Siegestor, dem Willibaldplatz in Laim und dem Bereich Ubostraße/Altostraße in Aubing mehr zu machen. Zwischen 850 000 und 5,45 Millionen Euro kosten die einzelnen Vorhaben.

Bei all den Projekten geht es darum, unattraktive und teils ungenutzte asphaltierte Flächen aufzubrechen und den Verkehr so umzuorganisieren, dass mehr Raum entsteht, eine bessere Aufenthaltsqualität. Das Baureferat verweist darauf, dass man zudem derzeit einen Antrag zur Verschönerung des Aufseßer Platzes und des Gößweinsteinplatzes in Neuaubing bearbeite.

Die Verschönerung des Pariser Platzes lief da fast nebenher. Manchmal lässt sich auch mit relativ kleinem Budget viel bewegen, hier waren es 85 000 Euro. "Wie ein Dschungel" kommt ihm der Pariser Platz heute vor im Vergleich zu früher, sagt zum Beispiel Salvatore Fersini. Ihm gefallen vor allem die Blumen. Ein trister, ewig gleicher Anblick sei die Fläche früher gewesen. Der 42-Jährige kennt den Platz schon ziemlich lang. Mit 18 hat er anfangen, im Eiscafé Venezia zu arbeiten. Inzwischen ist er Inhaber des Betriebs, der seit 60 Jahren von seiner Familie geführt wird. Fersini merkt auch in der Kasse, dass sich etwas getan hat. "Wir haben fünf bis zehn Prozent mehr Umsatz, seit die Blumen da sind", berichtet er. "Ich danke der Stadt."

Der Pariser Platz liegt im sogenannten Franzosenviertel, das Arnold von Zenetti 1870 geplant hat. Dazu gehören auch die imposanten Anlagen Weißenburger Platz, Bordeauxplatz und Johannisplatz. Sie alle machen auch deshalb so viel her, weil sie so üppig bepflanzt sind. Der Pariser Platz fiel da wie auch der Orleansplatz deutlich ab. Zwar ist das Platzrondell von zehn Linden umfasst, dennoch wirkte die Fläche leblos. Zudem stand der Kiosk über Jahre leer, seit letztem Sommer ist er wieder in Betrieb.

Mehrmals gab es Initiativen aus der Bevölkerung und dem Bezirksausschuss, den Platz aufzuwerten. Doch stets kamen Absagen aus dem Rathaus. Bis zum Jahr 2016. Da folgte die Verwaltung dann doch dem Wunsch der Bürger, zumindest teilweise. Denn eine Verkehrsberuhigung, wie die Anwohner sie wollten, sei nicht möglich, argumentierte das Baureferat. Aber der Pariser Platz werde ein Hochbeet bekommen mit einem Durchmesser von 5,50 Metern und damit "eine neue, Platz prägende, bunte Mitte", versprachen die städtischen Bauexperten. Sie hielten Wort. An diesem Mittwoch geht auch noch eine Abendbeleuchtung des Rondells in Betrieb.

"Der Blick ins Grüne ist wichtig für die Gesundheit und den Stressabbau"

Kein Wunder, dass mehr los sei, sagt Sebastian Garth. Pflanzen spielten nicht nur eine wichtige Rolle fürs Stadtklima, das sich stetig aufheize. Selbst kleine Grünflächen wie ein Hochbeet hätten schon eine Wirkung. "Der Blick ins Grüne ist auch wichtig für die Gesundheit und den Stressabbau, das zeigen Studien", sagt der Begrünungsexperte von der Umweltschutzorganisation Green City. Er trage dazu bei, Puls und Blutdruck zu senken.

Garth nennt das Phänomen "grüne Gentrifizierung". Gerade an heißen Tagen wie in diesem Sommer sei Grün für die Lebensqualität in der Stadt elementar, sagt er. Der Experte verweist auf eigentlich beliebte Orte wie die neue Fußgängerzone in der Sendlinger Straße oder den St.-Jakobs-Platz: "Die sind bei solchen Temperaturen eigentlich nicht nutzbar, das ist verlorene Fläche. Da gibt es noch ein Riesenpotenzial."

So froh die Menschen in Haidhausen auch sind über ihren neuen Pariser Platz. Eine Sache fehlt, findet Salvatore Fersini vom Eiscafé, und da pflichtet ihm die Betreiberin des Kiosks bei: "Noch besser wäre es gewesen, wenn sie auch einen Brunnen gebaut hätten." Wie auf dem Weißenburger Platz und dem Bordeauxplatz. Aber das wäre vielleicht zu viel des Guten gewesen im eh schon gesegneten Haidhausen.

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SZ vom 22.08.2018
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