Süddeutsche Zeitung

Sprachkritik:Grausige Herbstgrüße

Grußformeln können inzwischen alles sein: knusprig, sonnig, fröhlich oder lieb - je nach Anlass. Das ist schrecklich!

Glosse von Andreas Schubert

Wie schön: Nächsten Mittwoch stellt die Chiemgauer Müllerin Annelie Wagenstaller am Ammersee ein Backbuch vor. Mit der Einladung schickte der Verlag gleich "knusprige Grüße". Ei, verreck! Da knirscht es beim Lesen in den Ohren.

"Resche Grüße zurück", denkt man sich da - und fragt sich, ob man nun "wabbelige" Grüße bekommen hätte, wenn die Wagenstaller Annelie zum Beispiel ein Pudding-Kochbuch vorgestellt hätte. Welche Antwort hätte da wohl gepasst? "Hoffentlich klumpenfreie Grüße" vielleicht? Alles recht hypothetisch, hoffen wir mal, dass so schnell keine Puddingeinladung kommt und uns in Verlegenheit bringt.

Fest steht aber: Die Grußformeln passen sich zunehmend dem Thema der Nachricht an, wahlweise der Wetterlage. Lädt ein Restaurant zum Eröffnungs-, Wiedereröffnungs- oder Speisekartenrelaunch-Event ein, endet dies häufig mit "genussvollen Grüßen". Ganz so, als spülte der Verfasser beim Schreiben gerade seinen Kaviar-Blini mit einem Glas Schampus runter.

Gutgelaunte Absender

Äußerst beliebt sind auch die "sonnigen Grüße", deren Absender offenbar besonders gut gelaunt sind, wenn sie zur Baustellenbesichtigung in Obersendling oder zur Ampeleinweihung in Trudering einladen. Okay, momentan scheint die Sonne etwas seltener im E-Mail-Posteingang, weil es seit diesem Wochenende wieder länger dunkel ist.

Deshalb weichen die wildfremden E-Mail-Autoren vermehrt auf "liebe" Grüße aus, hoffend, dass man sie zurückliebt und auf die Einladung zum Flagshipstore-Opening antwortet. "Finstere" Grüße, oder gar "feuchte", die wohl besser zur Jahreszeitpassen würden, traut sich dann doch niemand zu senden.

Auch der originellste Spaßvogel kennt seine Grenzen. Das registrieren wir mit Freude und Grüßen freundlich und hochachtungsvoll zurück.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2015
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