Süddeutsche Zeitung

Gendergerechte Spielplätze:Alles andere als Geschlechterkampf

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Über gendergerechte Spielplätze kann man sich lustig machen. Man kann sie aber auch ernst nehmen. Denn sie sind ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

Kommentar von Melanie Staudinger

Typisch München mal wieder: Das dürfte der Reflex bei vielen sein, wenn sie lesen, in welcher Sache der Stadtrat in dieser Woche eine Entscheidung treffen soll. Gendergerechte Spielplätze stehen auf der Tagesordnung des Bauausschusses.

Mädchen sollen sich den öffentlichen Raum in der bayerischen Landeshauptstadt zurückerobern dürfen, nachdem all den Landschaftsarchitekten und Planern in den vergangenen Jahren nicht viel mehr als Bolzplätze, einsame Schaukeln und ein paar Holzbänke für die Eltern eingefallen sind. Als wenn es keine größeren Probleme gäbe in einer Stadt, in der sich Menschen mit mittleren Einkommen kaum mehr eine anständige Wohnung leisten können.

Auch die Stadtratsfraktion der CSU springt auf diesen Zug auf und warnt sogleich vorm Geschlechterkampf im Sandkasten. Die Kinder sollen Spaß am Spielen haben - danach sollten sich die Spielangebote ausrichten. Da spricht an sich nichts dagegen, die Realität aber zeigt, dass sich Mädchen momentan weniger gern im öffentlichen Raum bewegen als Jungs. Es fehlt ihnen an Sicherheit und Wohlgefühl.

Manche können nicht einen Ort nennen, an dem sie sich wohlfühlen, wie die Jugendbefragung der Stadt ermittelt hat. Studien zeigen zudem, dass Mädchen sich überhaupt weniger bewegen als Jungen. Sie halten sich öfter zu Hause auf, verbringen ihre Freizeit lieber sitzend und bewegen sich nur aktiv, wenn sie eine organisierte Sportstunde besuchen. Mädchen, gerade aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien, brauchen also mehr Anreize.

All diesen Herausforderungen begegnen die Vorschläge der Spielraumkommission. Mit wenig Aufwand lassen sich damit Spielräume so gestalten, dass sie allen Kindern und Jugendlichen gefallen, kickenden Jungs genauso wie basketballspielenden Mädchen, Jungen, die lieber schaukeln, und Mädchen, die ein wenig abseits der Öffentlichkeit Tanzschritte üben wollen. Gendergerechte Spielplätze sind ein Aspekt von vielen auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

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Quelle:
SZ vom 07.05.2018
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