Süddeutsche Zeitung

Contra Sonntagsöffnung:Gut geregelt

Sonntage, Wochenende und Feiertage geben den Menschen nicht nur die Möglichkeit, sich zu erholen. Sie strukturieren auch die Zeit. Wenn aber die Woche eine ununterbrochene Einkaufsmöglichkeit ist, sind alle Tage gleich - gleich öde.

Kommentar von Stephan Handel

Man muss nicht unbedingt ein gläubiger Christ sein, um Gebote der Bibel sinnvoll zu finden: Jeder Ernährungswissenschaftler wird bestätigen, dass es schlicht gesund ist, nicht jeden Tag Fleisch zu essen. Ein Feld nicht jedes Jahr zu bepflanzen, sondern es auch mal brach liegen zu lassen, würde heute wohl als Nachhaltigkeit bezeichnet werden. Und die Gliederung der Zeit, der Woche? Studien mit Langzeitarbeitslosen zeigen, dass ihr größtes Problem die fehlende Struktur im Leben ist, ein Leben, in dem alle Tage gleich sind und sich nicht unterscheiden.

Sonntage, Wochenenden, Feiertage strukturieren die Zeit. Sie geben Menschen nicht nur die Möglichkeit, sich zu erholen, sie gliedern den Ablauf des Monats, des Jahres: Noch zwei Wochen bis zu meinem Geburtstag, noch vier bis zum Urlaub. Wer diese Haltepunkte entfernt, wer die Abfolge von Arbeit und Ruhe, von Werk- und Feiertagen egalisiert, der tut den Menschen nichts Gutes, im Gegenteil. Er nimmt ihnen Orientierung. Wenn die Geschäfte nie geschlossen haben, die Woche eine ununterbrochene Einkaufsmöglichkeit ist, dann sind alle Tage gleich - gleich öde. Am Ende verbirgt sich hinter angeblicher Liberalisierung doch nur eins, der Wunsch nach Steigerung des Profits, ohne zu fragen, ob der Mensch das tatsächlich braucht. Er braucht es nicht.

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Quelle:
SZ vom 08.05.2015
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