Süddeutsche Zeitung

Sommerbilanz:Münchner suchen Abkühlung - Kinos und Geschäfte leiden unter der Hitze

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Der heiße Hochsommer treibt die Leute raus aus der City und rein in die Schwimmbecken. Alles, was abkühlt, hat Konjunktur - auch die Museen.

Von Robert Meyer, München

Der Hitzerekord ist in greifbarer Nähe. München erlebt derzeit den wärmsten August seit dem Rekordsommer 2003. Laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) liegt der Monat mit einer Durchschnittstemperatur von 23,2 Grad bisher mehr als fünf Grad über dem langjährigen Mittel. Bis zu 35,1 Grad zeigte in den vergangenen Wochen das Thermometer, fast ein Dutzend Tage im August waren heißer als 30 Grad. Die hohen Temperaturen machen sich nicht nur in der Statistik bemerkbar, sondern auch im Stadtleben.

Viele, sehr viele Münchner suchten in den Freibädern nach Kühlung. Die Stadtwerke verzeichneten fast 20 Prozent mehr Badegäste als im Vorjahr. Fast eine Million Menschen - knapp 918 000 - strömten bis Anfang vergangener Woche in die städtischen Bäder. Die Therme Erding hingegen mit ihren Saunen und beheizten Pools verzeichnete einen leichten Rückgang, im Juli kamen zwei Prozent weniger Besucher als noch 2017.

Für die Münchner Biergärten begann der Sommer zunächst schlecht: Viele Wirte setzten voll auf die Fußball-WM, mieteten zum Teil für viel Geld riesige Leinwände an, doch dann schied Deutschland kläglich in der Gruppenphase aus. Das anhaltend gute Wetter könnte ihre Bilanz am Ende aber noch retten. Eine Mitarbeiterin des Biergartens Menterschwaige in Harlaching berichtet, dass die anfänglichen Verluste inzwischen aufgefangen seien. Auch die Eismacher der Stadt haben kräftig zu tun. Die Bayerische Eismanufaktur am Englischen Garten zum Beispiel erlebte nach eigenen Angaben im Juli den umsatzstärksten Monat überhaupt. Im Vergleich zum Vorjahr habe man 30 Prozent mehr verkauft.

Alles, was kühlt, verkauft sich derzeit gut: Eine Aral-Tankstelle in Sendling berichtet, Eiswürfel und Crushed-Ice gingen dieses Jahr deutlich besser als in früheren Sommern. In Baumärkten werden derweil die Regale mit Ventilatoren leer geräumt. Bei Obi im Westend seien die Geräte bereits seit Wochen ausverkauft, bestätigt ein Mitarbeiter, Nachschub sei nicht in Sicht. "Unheimlich stressig" sei es derzeit wegen der vielen Anrufer, die nach Ventilatoren verlangen, sagt auch eine Mitarbeiterin der OBI-Filiale in Martinsried. Und die Hornbach-Märkte in Freiham und Fröttmaning haben sogar schon eine eigene Telefonansage für Anrufer eingerichtet, die nach Ventilatoren fragen.

Ob die Münchner deswegen aus ihren heißen Wohnungen in die klimatisierten Geschäfte der Innenstadt flüchten? Wolfgang Fischer vom Münchner Einzelhandelsverband City Partner winkt ab: Wenn die Temperaturen über 30 Grad steigen, "wird die Innenstadt gemieden", sagt er. Zu groß sei die Konkurrenz der Freibäder und Biergärten, als dass die Menschen in die aufgeheizten Häuserschluchten der Fußgängerzone strömen würden. Flipflops verkauften sich derzeit zwar prächtig, das reiche aber nicht aus, um die negativen Auswirkungen der Hitze auf den Einzelhandel auszugleichen.

Auch für die Kinos laufen die Geschäfte in diesen Tagen eher mäßig. Zwar kämen immer mal wieder Gäste, die "der Hitze entfliehen wollen", berichtet ein Mitarbeiter der Museum Lichtspiele. Das seien aber nur Einzelfälle. Die Münchner Filmhäuser bekämen "die Hitzewelle deutlich zu spüren, da bei gutem Wetter der Weg ins Kino häufig nicht die nächstliegende Freizeitbeschäftigung ist", bestätigt ein Sprecher des Mathäser Filmpalasts, konkrete Besucherzahlen will er aber nicht nennen. "Unterm Strich freuen wir uns - zumindest in beruflicher Hinsicht - wieder auf regnerisches Wetter."

Die Vermutung liegt nahe, dass es den Museen der Stadt genauso geht, doch während die Kinos eher gemieden werden, strömen offenbar mehr und mehr Besucher in die Kunsthäuser: Das Deutsche Museum verzeichnete heuer die höchste Besucherzahl in einem Juli seit 2014, nämlich 117 000. Auch die drei Pinakotheken melden, die Zahl der Besucher sei spürbar gestiegen. Die Mitarbeiter erklären sich den Ansturm dann auch tatsächlich mit der Hitzeperiode: "Es gibt so typische Städtetouristen, wenn es denen auf den Straßen zu heiß wird, dann gehen sie auch mal ins Museum", meint Gerrit Faust vom Deutschen Museum.

Ob trotz oder wegen der Hitze - der Tierpark Hellabrunn ist in diesem Sommer ebenfalls gut besucht. Auch die meisten Tiere kämen mit dem Wetter gut zurecht: "Generell haben die Tiere weniger Probleme mit den Extremtemperaturen als wir Menschen", sagt Tierpark-Direktor Rasem Baban. Die Eisbären verdrücken sich in den Schatten oder baden im zwölf Grad kalten Wasser. Außerdem bekämen die Bären und auch andere Tiere im Park im Sommer öfter mal Eisbomben mit verschiedenen, eingefrorenen Obstsorten. Ganze 60 Stück spendierten die Pfleger bisher.

Während sich die Tiere im kalten Wasser abkühlen können, bereitet die Isar nur ein paar Gehminuten entfernt den Stadtwerken Sorgen. Wegen des niedrigen Wasserstands können die Wasserkraftwerke nicht ihre übliche Leistung abrufen, die Floßlände werden deshalb abends zum Nachteil der Surfer und Kanuten mit weniger Wasser versorgt. Der Pegel der Isar liegt derzeit nur knapp über 60 Zentimeter, normalerweise steht das Flusswasser 30 Zentimeter höher.

Dafür profitiert das Tochterunternehmen der Stadtwerke, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), vom dauerhaft warmen und trockenen Wetter und zwar wegen der Leihräder. Die werden schon seit Monaten bis zu 2500 Mal am Tag ausgeliehen. Auch die Räder der Deutschen Bahn sind begehrt. "Derzeit werden mehr Räder ausgeliehen als vor Beginn des diesjährigen Super-Sommers", sagt ein Bahnsprecher - Zahlen will er keine verraten.

Ein Super-Sommer ist es auf jeden Fall. Vermutlich wird der August 2018 aber trotzdem nicht als heißester August der Münchner Geschichte in die Aufzeichnungen des Wetterdienstes eingehen. Derzeit liege die Durchschnittstemperatur gerade mal 0,1 Grad unter dem Rekordjahr 2003, berichtet ein Sprecher des DWD. In den letzten Augusttagen werde es aber aller Voraussicht nach wieder etwas kühler. Den Prognosen zufolge könnte es am kommenden Samstag sogar schneien, sagt der Experte - aber nur in den ganz hoch gelegenen Bergregionen.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2018
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