Süddeutsche Zeitung

So kam es zur Entscheidung:Jubelnde Juroren und ein paar schnelle Deals

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Das Preisgericht entschied sich am Ende fast einstimmig für den Sieger. Das war wohl nur möglich, weil mehrere Beteiligte Zugeständnisse machten. Bauminister Herrmann verspricht eine harte Kostenkontrolle

Von Christian Krügel

Am Ende gibt es nur noch Sieger: Alle Juroren bejubeln die Entscheidung, die sie selbst am Freitagnachmittag trafen. Bauminister Joachim Herrmann (CSU) spricht von einem Konzerthaus auf "Spitzeniveau für ein Spitzenorchester", BR-Intendant Ulrich Wilhelm von "optimaler Raumaufteilung" und einer "hervorragenden Plattform" für neue Musikangebote. Bernd Redmann, Präsident der Musikhochschule, hat schon jetzt "Lust darauf, mit den Studenten alle Möglichkeiten dieses Hauses zu nutzen". Und Oberbürgermeister Dieter Reiter freut sich auf ein "total spannendes städtebauliches Projekt".

So einhellig der Jubel auch ausfällt: Ohne politische und wirtschaftliche Konzessionen mehrerer Beteiligter wäre am Ende wohl kaum der Entwurf der Vorarlberger Cukrowicz Nachbaur gekürt worden. Denn so ungewöhnlich deren Plan ist, so sehr verstößt er auch gegen vieles, was Stadt und Staatsregierung den Architekten und Juroren als Leitplanken gesetzt hatten. Zum Beispiel bei der Höhe des Gebäudes: Der Bebauungsplan der Stadt sieht eine maximale Höhe von 26 Metern vor - das Grundstück liegt auf dem früheren Pfanni-Industriegelände, das gerade zum schicken Werksviertel umgestaltet wird. Der Glasbau wird nun aber 45 Meter hoch. Nur so sei die markante städtebauliche Wirkung und zugleich eine gewisse Leichtigkeit des Baus zu gewährleisten, erklärt Architekt Anton Nachbaur. Aber der Hochbau muss nun vom Stadtrat genehmigt werden, was dank einer Öffnungsklausel des Bebauungsplans möglich ist. Das signalisierten in der Jury Stadtbaurätin Elisabeth Merk und OB Reiter, der im Preisgericht war und am Ende auch für den Entwurf stimmte. "Das werden wir hinbekommen", sagt Reiter der SZ. CSU-Stadtratsfraktionschef Manuel Pretzl könnte widersprechen: "Ich finde ehrlich gesagt alle anderen besser, als den jetzigen ersten Preis. Sarg ist noch das Netteste, was mir einfällt", kommentiert er auf Facebook.

Die Höhe ist auch aus einem anderen Grund knifflig. Denn im Erbpachtvertrag, den der Freistaat mit dem Grundstücksbesitzer Werner Eckart geschlossen hat, ist die Höhe der Bruttogeschossfläche auf 15 500 Quadratmeter festgeschrieben. Einer Überschreitung von maximal 2000 Quadratmetern soll das Finanzministerium im Vorfeld zugestimmt haben. Anton Nachbaurs Entwurf sieht aber 22 500 Quadratmeter vor. Fast 50 Prozent mehr also - womit sich auch die Pacht, die der Steuerzahler an den Pfanni-Erben zahlen muss, drastisch erhöht hätte. Und die ist mit jährlich rund 600 000 Euro schon jetzt beträchtlich. In den nächsten 30 Jahren könnten so wohl noch einmal rund neun Millionen Euro dazu gekommen, überschlugen die Experten in der Jury mal eben schnell am Freitagnachmittag.

Innenminister Herrmann trat deshalb nach SZ-Informationen kurz vor der Jury-Entscheidung auf die Bremse und bat die Juroren, schon auch diese Kosten im Blick zu halten - von den eigentlichen Baukosten sei ohnehin noch keine Rede. Was folgte, waren intensive Gespräche und Verhandlungen, an deren Ende Grundstücksbesitzer Eckart den Weg ebnete. Er saß mitsamt Anwalt in der Jury. Eckart versprach, die Kosten bei der Grenze zu deckeln, die das Finanzministerium vorgegeben hatte. "Ich wollte nicht, dass der Pachtpreis über die Qualität des Konzerthauses entscheidet", sagt Werner Eckart. Kein Bedauern, dass ihm ein Millionengeschäft durch die Lappen gegangen ist? "Nein, München hat so ein schöneres Konzerthaus gewonnen."

Ein Geschäft bleibt das Projekt für ihn trotzdem. Die Pacht steigt ein wenig, und unabhängig davon hat er sich bereits seit Langem ein Erstbelegungsrecht für die Geschäfte gesichert, welche die Architekten an der Westseite des Hauses vorsehen. Joachim Herrmann lobte ihn am Samstag dennoch öffentlich. Dies sei "ein wichtiges Entgegenkommen", so Herrmann. OB Reiter zeigte sich positiv überrascht, dass der Freistaat auf den Deal einging: "Ich hätte nicht gedacht, dass der staatsministerielle Wagemut so weit geht."

Damit ist das Thema Kosten aber noch lange nicht erledigt. Denn wie teuer der Bau werde, könne derzeit noch nicht gesagt werden, so Herrmann. Jury-Präsident Arno Lederer warnt vor dem "Fluch der falschen Zahl": "Jede Summe, die man jetzt nennt, muss falsch sein." Denn zunächst brauche es eine exakte Planung aller Bauteile, der Statik, des Tragwerks und von vielen anderen Details. Die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes spiele natürlich eine Rolle, so Herrmann. Der geplante Kostenrahmen liegt bei 150 bis 300 Millionen Euro. "Für uns steht im Vordergrund, den ersten Preis des Wettbewerbs auch zu verwirklichen. Aber es gibt keinen Blankoscheck", sagt der Bauminister. Letztlich müsse der Landtag die Mittel bewilligen.

Die Auswahl der Architekten macht offenbar einigen Hoffnung, dass es zu einer seriösen, bodenständigen Planung kommt. Zumindest haben Anton Nachbaur, 52, und sein Studienfreund Andreas Cukrowicz, 48, diesen Ruf. In ihrem Büro beschäftigen sie heute rund 15 Mitarbeiter. "Wir wollten immer stetig, nie zu schnell wachsen", sagte Nachbaur der SZ. Sein Büro baute bereits Hallenbäder, Wohnungen, Bibliotheken, Sozialeinrichtungen und Museen; es zeichnet derzeit verantwortlich für den Bau der Philologicum-Bibliothek der Münchner LMU und für das Physik-Institut der TU in Garching. Einen Konzertsaal aber habe man noch nie gebaut. Umso größer sei die Begeisterung, umso mehr werde man sich in das Projekt reinknien, so Nachbaur.

Minister Herrmann will sich auf den Enthusiasmus nicht verlassen. Er kündigte eine permanente harte Kostenkontrolle an. Mit Daniel Oden, der bisher schon Projektbeauftragter beim Staatlichen Bauamt war, benannte er einen ministeriellen Aufpasser. "Er wird sich in den nächsten Jahren um nichts anderes kümmern, keine andere Projekte", so Herrmann. Denn schließlich habe man zuletzt mit staatlichen Kulturbauten eine leidvolle Erfahrung gemacht. Die Renovierungskosten für das Gärtnerplatztheater kletterten von 70 auf 121 Millionen Euro.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2017
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