Süddeutsche Zeitung

Singer-Songwriter:Die Stärken von Conor Oberst sind seine Schwächen

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Der Frontmann der "Bright Eyes" findet in Nebraska seine alten Dämonen wieder. Nun kommt er zum Konzert in den Postpalast.

Von Michael Zirnstein

Von Coner Obersts jüngstem Konzert in München hatte der Reporter Beunruhigendes zu berichten: Unter der Überschrift "Geläutert" schloss er vom bereinigten Lebenswandel des amerikanischen Musikers ("mehr Klarheit, weniger Suchtmittel") auf "zaghaft anklingende positive Stimmungen bei der Live-Umsetzung".

Ja, so "ausgeglichen, beinahe lächelnd" wie an jenem 18. August 2014 erlebe man den Singer-Songwriter "nicht alle Tage " - eine Anspielung an den Auftritt 2005 in der Elserhalle, bei dem sich der Amerikaner angeblich wegen einer Panikattacke hinter dem Mischpult verkrochen und am Rotwein besoffen hatte. Die alles entscheidende Frage also war, ob die Entziehungskur auch der großen selbstzerstörerischen Weltschmerzkunst des Conor Oberst den Nährboden entzogen hatte.

Es schien fast so. Denn ein Jahr später trommelte Oberst seine alten Rabauken des Desaparicidos zusammen - die Emo-Punk-Gruppe ist, wenn seine Bright Eyes der Luxusliner in seiner Flotte von einem guten Dutzend Bands sind, sein Schlachtschiff. Mit heiligem Zorn attackierte er alles, was ihn nervte: Wallstreet, Alltagsrassismus, Mausklick-Revoluzzer und -Maulhelden, die US-Politik. Die Protestsongs waren zwar wütend, aber auch glatt, kalkuliert, pathetisch und irgendwie unpersönlich.

Sie spiegelten Obersts Leben in New York, das ihn stresste und damit beschäftigte, als Indie-Popstar die Mechanismen der Musikindustrie zu bedienen, um sich die teure Miete leisten zu können. Er war ganz schön weit weg von sich selbst, und deswegen zog er zurück nach Omaha, Nebraska. Nicht um zu trinken, sondern um erst mal nichts zu tun. Diese Unterforderung hatte schließlich 20 Jahre zuvor den Künstler in ihm geweckt, hatte ihn zum Kraftwerk einer Kreativszene um das von ihm gegründete Label Saddle Creek von Cursive bis Azure Ray werden lassen, hatte das 400 000-Seelen-Kaff zu einer Art Seattle des bald sehr gefragten Indiefolk gemacht.

Auch wenn es nach seiner Rückkehr nun fünf statt nur eines Live-Musik-Clubs gab - Freunde und Orte erinnerten Oberst an früher und brachten die alten Songwriter-Tugenden und einen Hang zu Mundharmonika, Klampfe und Klavier zu Tage. Dies erinnert einige - natürlich - an den jungen Dylan, an Neil Young, Springsteens "Nebraska" und neuderdings an John Lennons Pop-Avantgarde.

Der Legende nach hockte Oberst einen Winter lang am Klavier, schaute dem Schnee beim Rieseln zu, und als eine Lastwagenfuhre Holz im Kamin verfeuert war, hatte er ein Album beisammen: In "Ruminations" ("Gedankenkarussell"), das Oberst dann allein und binnen 48 Stunden aufnahm, dreht es sich um den Liebhaber des Architekten Frank Lloyd Wrigth, Leidensgenossen und seine eigenen Dämonen, etwa in der Hymne an Sankt Dympha, die Patronin der psychisch Kranken. Die wie immer tief beunruhigenden, stark besänftigenden Songs hätten, sagt er, "einen therapeutischen Effekt". Das gilt für ihn wie für den Hörer.

Conor Oberst, Di., 17. Jan., 20.30 Uhr, Postpalast, Wredestraße 10, 089 / 21 83 92 62

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Quelle:
SZ vom 12.01.17
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