Süddeutsche Zeitung

Silvesterlauf:Das Jahr sportlich auslaufen lassen

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Zum 31. Münchener Silvesterlauf im Olympiapark treten mehr als 2800 Sportbegeisterte an. Profis und Anfänger, Schüler und Senioren lassen sich weder von einem Stromausfall noch von dem heftigen Wintereinbruch abschrecken und genießen auf verschneiten Wegen ihre Lust am Laufen

Von Matthias Schmid

Schlitten lehnen an den Stützpfeilern vor dem Haupteingang der Event-Arena im Olympiapark. Es sind Holzschlitten, wie sie etliche Familien seit den Achtzigerjahren im Keller liegen haben - an diesem Silvestertag in München ein sehr praktisches Fortbewegungsmittel, weil so viel Schnee wie schon seit Jahren nicht mehr vom Himmel gefallen ist. Der Olympiapark hat sich in eine märchenhafte Winterwelt verwandelt. Viele Menschen lassen das Jahr mit Schlittenfahren am Olympiaberg ausklingen, manche stapfen mit Schneeschuhen durch das Weiß, wenige andere spuren sich auf Langlaufskiern sogar ihre eigene Loipe. Doch die größte Zahl der Menschen bewegt sich joggend über das Gelände, beim traditionellen Silvesterlauf, der zum 31. Mal stattfindet.

An der Event-Arena liegen Start und Ziel. 2846 Läufer nutzen die letzte Gelegenheit des Jahres für einen Wettkampf. "Wir sind mit den Teilnehmerzahlen sehr zufrieden", bekennt Alexa Eisner. Die Organisatorin ist überrascht, sie hat bei diesen Witterungsverhältnissen nicht mit so einer großen Zahl gerechnet. Ein Grund, dass trotzdem so viele mitmachen, sieht Eisner vom Münchner Roadrunners Club (MRRC) in dem seit zwei Jahren bestehenden familien- und anfängerfreundlichen Konzept. Zum zweiten Mal erst gibt es neben dem eigentlichen Hauptwettbewerb über zehn Kilometer einen Hobbylauf über fünf Kilometer sowie Kinder- und Schülerrennen. "So motivieren wir Anfänger, genauso wie Familien, bei uns teilzunehmen", sagt Eisner.

Kuni ist keine Anfängerin mehr. Die 42 Jahre alte Münchnerin macht schon seit vielen Jahren mit - nicht jedes Jahr, aber meist kann sich am Jahresende doch noch mal überwinden, Sport zu treiben. Es ist bei ihr mehr ein meditativer Akt: Sie läuft nicht gegen die Zeit, sondern gegen die schlechten Gedanken. "Ich will mich vom alten Jahr verabschieden, Ballast abwerfen", sagt sie. Doch das tut Kuni nicht allein, im Ziel wartet sie, bis ihre Eltern über die Ziellinie laufen, glücklich aber erschöpft; ihr Vater ist 74 Jahre alt, ihre Mutter 64. Die gebürtigen Rumänen sind aus Brannenburg bei Rosenheim angereist.

Alle drei haben sich auch nicht vom Kurzschluss am Morgen vor dem Start abschrecken lassen. Plötzlich ist kein Strom mehr da, nichts geht mehr: Ohne Strom kein Zeitnahme, ohne Zeitnahme kein Rennen, sodass der Start des Hobbylaufs - aus dem Lucas Herbeck (TSV Penzberg) und Katrin Wallner (LG Stadtwerke München) als Sieger hervorgehen - um zehn Minuten verschoben werden muss.

Dank des Geschicks des Helferteams währt die Pause nur kurz. So hat Valentin Unterholzner auch noch genügend Zeit gehabt, um fürs Hauptrennen seine Schuhe zu testen und sich aufzuwärmen. "Ich dachte schon, dass ich die falschen dabei habe", sagt er im Ziel. Er lächelt, mit den Straßenlaufschuhen ohne Profil hat es auf dem schneebedeckten und teilweise rutschigen Untergrund ganz gut geklappt, so gut sogar, dass er den Hauptlauf nach 32,43 Minuten gewinnt. Der 22-Jährige von der LG Regensburg schwärmt hinterher von der Stimmung an der Strecke. "Einige der Zuschauer, die mit ihren Schlitten fuhren, waren zwar überrascht, dass hier ein Rennen stattfindet, aber sie haben uns alle sehr gut angefeuert und motiviert."

Als Unterholzner und die Siegerin des Frauenrennens, die Bayreutherin Anja Schneider (36,47 Minuten), schon wieder locker auslaufen, sehen sie aus der Ferne noch etliche Läufer kommen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Volkslauf. Es laufen Profis und Anfänger, Dicke und Dünne, sie rennen in kurzen Hosen und T-Shirt oder sind so dick eingepackt, als würden sie gleich zur einer großen Südpolexpedition aufbrechen, manche filmen sich und die Landschaft, sie sind als römischer Legionär verkleidet oder als Biene Maja. Sie haben Lust am Laufen, an der Gaudi, es ist ein Fest. Es gibt sogar drei Männer im Frauenkostüm, sie schenken Streckenposten und Zuschauern Glühwein von einem kleinen Wagen aus ein, den einer von ihnen eigens dafür vor sich herschiebt. Andere wiederum lassen nach dem Rennen schon die Sektkorken knallen und stoßen Stunden vor Mitternacht auf ihre Leistung und das neue Jahr an.

Alexa Eisner strahlt und sagt: "Das ist ein schöner Anblick." Im nächsten Jahr wird sich einiges ändern: Der Silvesterlauf muss eine neue Örtlichkeit finden, die Event-Arena wird abgerissen, eine neue große Halle für Eishockey und Basketball mit 10 000 Sitzplätzen entsteht. "Wir müssen uns nach einem neuen Start- und Zielgelände umschauen", sagt Eisner. Die Gespräche mit der Olympiapark-GmbH seien bereits angelaufen. "Wir werden einen schönen Platz hier finden", sagt Eisner. Ob dann wieder Schlitten gebraucht werden?

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SZ vom 02.01.2015
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