Süddeutsche Zeitung

Sicherheitskonferenz:"Kritische Geister werden kriminalisiert"

Lesezeit: 2 min

Gehen Polizei und Justiz einseitig gegen Linke vor? Die Behörden weisen die Vorwürfe zurück.

Bernd Kastner

Am kommenden Wochenende werden sie sich wieder gegenüberstehen, Demonstranten und Polizei, Sinnbild für die Konfrontation zwischen Linken und dem Staat. Wie jedes Jahr ist im Vorfeld der Sicherheitskonferenz dasselbe Szenario zu beobachten:

Die Linken protestieren, in diesem Fall mit kämpferischem Vokabular ("Nato-Kriegskonferenz und G8 angreifen!") - Polizei und Justiz greifen hart durch. Kürzlich durchsuchten sie Büros und Wohnungen von Linken.

Meist braucht es die martialische Sprache gar nicht, um die Ermittlungen in Gang zu setzen, sei es wegen Protesten gegen Neonazis oder für Flüchtlinge. Strafverteidiger und Linke, von Grünen über Gewerkschafter bis zum Demo-Aktivisten, beklagen ein generell überzogenes Vorgehen des Staates gegen das linke Spektrum. Oft enden diese Verfahren nach Jahren mit Freisprüchen oder Einstellungen auf Kosten der Staatskasse.

"Das wäre für mich ein persönliches Bundesverdienstkreuz"

Siegfried Benker, Fraktionschef der Grünen und selbst im Visier der Ermittler, sagt: "Es ist beeindruckend, welche Energie Polizei und Justiz aufwenden, um linken Strukturen die Arbeit unmöglich zu machen." Bürgermeister Hep Monatzeder nennt es "unerträglich, dass mit diesen Maßnahmen kritische Geister kriminalisiert und eingeschüchtert werden".

SPD-Fraktionschef und DGB-Chef Helmut Schmid bezeichnet einerseits die Zusammenarbeit mit der Polizei als "sehr gut". Wenn aber ein ehemaliger KZ-Häftling wegen eines Protestaufrufs gegen Neonazis verurteilt wird, dann halte er das für "falsch". Verdi-Chef Heinrich Birner klagt, dass "die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht immer gewahrt" sei bei Polizei und Justiz.

Auch gegen ihn sei einmal wegen eines Protestaufrufs gegen Neonazis ermittelt worden. "Wenn ich deshalb einen Strafbefehl bekomme, wäre das für mich mein persönliches Bundesverdienstkreuz."

Die Polizei widerspricht: "Diese Vorwürfe werden durch ständiges Wiederholen nicht besser", sagt Polizeisprecher Wolfgang Wenger. Man stehe nicht auf einer Seite, "egal ob links, recht, vorne oder hinten", man behandle alle gleich. Außerdem dürfe die Polizei ihr Vorgehen nicht von Gerichtsurteilen abhängig machen.

Rainer Riedl, Sprecher des Innenministeriums, betont, dass die rechtliche Einordnung eines Vorfalls nicht Polizei-Aufgabe sei, sie müsse bei Verdacht auf Straftaten handeln. Justiz-Sprecher Wilfried Krames erklärt, man dürfe von einem Freispruch nicht rückschließen, die Verfahrenskosten seien verschwendet: "Das ist Aufgabe des Rechtsstaates."

"In jede Richtung sensibilisiert"

Angesichts der Personalnot der Ermittlungsbehörden klagte einer der politischen Staatsanwälte kürzlich vor dem Bundestag: "Nach unserer Personalbedarfsstatistik habe ich nur vier Minuten Zeit, um den Täter zu finden". Warum dann dieser Aufwand für vergleichsweise geringfügige Vergehen?

"Ich sage nur: Legalitätsprinzip", meint Oberstaatsanwalt August Stern, politischer Chefermittler. Wenn die Polizei einen Vorgang weiterreiche, müsse die Staatsanwaltschaft tätig werden. "Wir sind im politischen Bereich in jede Richtung sensibilisiert."

Anwalt Hartmut Wächtler, Vorstandsmitglied in der Initiative Bayerischer Strafverteidiger, die sich für die Wahrung der Grundrechte vor Gericht einsetzt, spricht dagegen von "politischem Übereifer". Zwar müsse ein Staatsanwalt tätig werden, doch er habe es auch in der Hand, ein Verfahren einzustellen, wenn der Ermittlungsaufwand in keinem Verhältnis zum zu erwartenden Resultat stehe.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.931836
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 7.2.2007
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.