Süddeutsche Zeitung

Sicherheit:So arbeiten Münchens neue Sheriffs vom kommunalen Außendienst

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Von Thomas Anlauf

Die zwei Aufkleber sind unmissverständlich. "Sitzen verboten!" steht auf den Glastüren, dazu das Bild eines durchgestrichenen Menschen, der auf der Stufe sitzt. Zwei Männer sitzen auf der Stufe vor der Glastür, einer dreht sich eine Zigarette. Doch da tauchen sechs Uniformierte in der Schillerstraße auf, umringen sie und reden ihnen zu. Es wirkt.

Die beiden packen ihre Rucksäcke, stehen auf und verschwinden in Richtung Hauptbahnhof. Um die Ecke an der Bayerstraße sitzt eine ältere Frau mit Kopftuch neben ihrer karierten Rolltasche. Sie hat einen Pappbecher zum Betteln in der Hand, das ist ihr Vergehen. Sie muss ihren Platz räumen, als die sechs Herren in Marineblau sie entdecken, zwei Polizisten und vier Neulinge in fast farbgleicher Uniform: die ersten vier Männer des Kommunalen Außendienstes.

Seit zwei Wochen patrouillieren die neuen Sicherheitskräfte des Kreisverwaltungsreferats im Bahnhofsviertel. Der Stadtrat wollte 100 blaue Sheriffs, jetzt sind es aus Kostengründen ein Viertel weniger. Am Freitag lief die Bewerbungsfrist aus.

Nach SZ-Informationen gab es zwar viele Bewerbungen für den Job im Kommunalen Außendienst (KAD), allerdings nur relativ wenige, die für die Stelle überhaupt geeignet waren. So räumt auch das Kreisverwaltungsreferat ein, dass der KAD erst "schrittweise" auf täglich drei Schichten ausgeweitet werden und dann auch das Einsatzgebiet vergrößert werden soll.

Bislang sind die jungen Männer ausschließlich zwischen Altem Botanischen Garten und Landwehrstraße unterwegs. Man kann die vier Herren vom KAD zum Beispiel am Zaun zum Spielplatz im Alten Botanischen Garten antreffen. "Da sind zwei erwachsene Männer auf dem Spielplatz", sagt einer der Sicherheitsleute. Sie rufen die Verdächtigen her, die versichern, Väter von zwei Kindern zu sein. Alles okay also. Neben den Marineblauen klebt ein roter Zettel an einem Eisenholzbaum. "Vorsicht! Rattenbekämpfung. Kinder und Haustiere fernhalten!"

Die Gefahr geht offenbar von woanders aus. Zum Beispiel vom Gebüsch an der Elisenstraße? Dort hat die Stadt nun einen langen Bauzaun aus Metall errichtet, damit sich darin niemand verstecken kann. Die Sitzbänke wurden durch waldgrüne Metallsitze ersetzt, die weit auseinanderstehen, zum Schlafen kann sich dort kein Obdachloser mehr hinlegen.

Dafür liegen an diesem Vormittag drei Männer auf der Wiese, einer in einen roten Schlafsack eingehüllt. Vorne am Brunnen sitzen drei Leute, zwei Frauen und ein Mann, die schon um halb zehn am Vormittag offensichtlich unter Drogen stehen. Nebenan planscht eine junge Mutter mit ihren Kindern im Brunnen und macht Fotos. "Die tun doch nichts", sagt sie und blickt auf die drei Leute in der Nähe.

Es ist ein friedlicher Juli-Vormittag im Bahnhofsviertel. Drei Frauen sitzen vor dem U-Bahn-Abgang an der Bayerstraße und essen Eis. Zwei Rucksackreisende hocken unter dem Vordach des Hauptbahnhofs, wo noch vor eineinhalb Jahren ein sogenannter Szene-Brennpunkt mit Drogenabhängigen, Dealern und Wohnungslosen war. Seither ist viel passiert. Die Stadt hat ein nächtliches Alkoholverbot erlassen, die Polizei kontrolliert verstärkt die Bahnhofsgegend.

Es gab eine Großrazzia, die ziemlich ergebnislos verlief. Und dann war da im Stadtrat der Ruf nach einem kommunalen Sicherheitsdienst. Vor genau einem Jahr wurde die Einführung des KAD beschlossen, die CSU wollte die Sicherheitsleute sogar mit Schusswaffen ausstatten, die Grünen hielten wenig von dem KAD. Laut Dienstbeschreibung sollen die städtischen Streifendienste aber keine Hilfssheriffs sein. Der KAD "kann keine Aufgaben der Verbrechensbekämpfung übernehmen - das ist und bleibt Aufgabe der Polizei", heißt es bei der Stadt.

Die Polizei beobachtet den Einsatz der neuen Helfer mit Wohlwollen, wie es aus dem Präsidium heißt. Die Mitarbeiter vom KVR fungieren bislang vor allem als eine Art Touristenpolizei - etwas, das die Polizei natürlich nicht leisten kann. Bei einem Streifgang, der von der Schillerstraße über die Schwanthaler- und Sonnenstraße und zurück zur Bayerstraße führt, werden die vier Männer fast im Minutentakt von Passanten angesprochen.

Eine Frau mit ihrem Sohn fragt nach dem Weg zum Gesundheitsreferat. Eine asiatische Familie will wissen, wo der Hauptplatz in dieser Stadt sei. Und gelegentlich kommen Münchner vorbei, die fragen, ob sie denn der neue Sicherheitsdienst im Bahnhofsviertel seien. "Super", sagt ein Herr mit grauem Bart. "Machts as guad", ruft eine Dame und geht lachend weiter.

Die Geschäftsleute des Viertels scheinen mit den ersten Auftritten der Außendienstler zufrieden zu sein. "Die Reaktionen unserer Mitglieder sind durch die Bank positiv", sagt Fritz Wickenhäuser, Vorsitzender des Vereins Südliches Bahnhofsviertel München. Er habe das Gefühl, dass die neuen Sicherheitskräfte nun wie einst die Streifenpolizisten, die im Volksmund als "Schandis" bezeichnet wurden, als Ansprechpartner bei Problemen da seien.

Und auch den Auftritt der jungen Männer empfindet Wickenhäuser als positiv: "Das sind keine Bodybuilder." Tatsächlich wirken sie bei den beobachteten Rundgängen bislang eher als Ansprechpartner denn als Ordnungsmacht, obwohl sie durchaus auch ein Bußgeld oder sogar ein Platzverbot verhängen können. Zur Sicherheit sind sie mit Reizgassprays und stichsicheren Westen ausgestattet. Funk untereinander haben sie aber laut einem Sicherheitsmann bislang noch nicht. "Das machen wir bislang mit Handys", sagt der KVR-Mitarbeiter.

Damit muss dann von den Sicherheitsleuten im Ernstfall auch die Polizei zu Hilfe gerufen werden. Doch die ist ohnehin im Bahnhofsviertel stark präsent. Während die neuen Außendienstler am Mittag ihre Runde entlang der Bayerstraße drehen, gibt es zwei Straßenecken weiter ein Gerangel. "Hände auf den Rücken", ruft ein Zivilpolizist scharf. Zwei junge Männer werden von sechs Polizisten in Handschellen abgeführt - wahrlich kein Fall für den städtischen Sicherheitsdienst.

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Quelle:
SZ vom 14.07.2018
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