Süddeutsche Zeitung

Sendlinger Tor:Sechs Flüchtlinge ins Krankenhaus eingeliefert

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Von Christian Gschwendtner und Susi Wimmer, München

Ein baldiges Ende des Hungerstreiks am Sendlinger-Tor-Platz ist momentan nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Flüchtlinge sind fest entschlossen, ihren Protest aufrecht zu erhalten. "Es ist schwer, aber wir können mehr", sagt Muhammad Qasim, einer der Organisatoren am Donnerstagnachmittag. Seit vier Tagen verweigern er und seine Mitstreiter nun schon die Nahrungsaufnahme. Sechs Flüchtlinge wurden bereits in Krankenhäuser eingeliefert, "sie haben selbst gesagt, dass sie Kreislaufprobleme hätten und unterzuckert seien", sagte Polizeisprecher Thomas Baumann. Bis zum Donnerstagnachmittag waren sie aber alle wieder am Sendlinger-Tor-Platz und protestierten weiter.

Die Zahl der Demonstranten wächst indes weiter an. Inzwischen beteiligen sich schätzungsweise 90 Flüchtlinge aus ganz Deutschland am Hungerstreik. Sie fordern weiterhin ein "Bleiberecht" für alle und ein Ende der Abschiebungen. Ihre Protestaktion wird immer wieder von Zwischenfällen begleitet. Am Donnerstagvormittag soll zum Beispiel ein wütender Mann den Flüchtlingen eine Tüte mit verfaultem Obst vor die Füße gekippt haben. Sein Kommentar: "Da habt ihr was zu essen". Augenzeugen bestätigen den Vorfall. Die verfaulten Gurken und Paprika kann man noch Stunden später auf dem Sendlinger-Tor-Platz begutachten.

Für die nächsten Tage sind Frost und Schnee angesagt, ein Umstand, der das Kreisverwaltungsrat (KVR) besonders umtreibt. Man befürchtet, dass die Situation dadurch weiter eskalieren könnte und will deshalb "sehr genau hinschauen", wie KVR-Sprecher Johannes Mayer betonte. Gegen den Hungerstreik an sich habe man keine Handhabe, er sei ein legitimes Mittel der Meinungsäußerung, so Mayer. Man werde das Protestlager aber sofort auflösen, wenn sich die Demonstranten in Lebensgefahr begeben.

Seit Donnerstagabend hat das KVR zusätzlich zur Polizeistreife einen Krankenwagen ans Sendlinger Tor beordert. Er soll die Situation rund um die Uhr im Blick behalten. Die Auflagen des KVR sehen außerdem vor, dass Amtsärzte zu jeder Zeit Zutritt zum Protestlager haben müssen. Sollte das irgendwann nicht mehr der Fall sein, wird die Demo aufgelöst.

Manche der Demonstranten, wie der 26-jährige Mamadou aus dem Senegal, harren seit Tagen ohne Socken auf demPlatz aus. Unterstützer haben deshalb am Donnerstagnachmittag 40 Paar Handschuhe, Kälteschutzcreme und Socken verteilt. Es reichte nicht für alle. Bei den Flüchtlingen haben die Strapazen der letzten Tage erkennbare Spuren hinterlassen. Adeel Ahmen, der als Sprecher der Gruppe auftritt, hat Keuchhusten. Er sagt: "Ich fühle mich ein bisschen schlapp". Weiter machen will auch er. In der Hoffnung, dass doch noch ein Signal aus der Politik kommt. Am Donnerstagmittag trafen sich Vertreter von KVR und Polizei, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Laut Polizeisprecher Baumann könne nur das KVR darüber verfügen, "ob das Camp dann aufgelöst wird".

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Quelle:
SZ vom 04.11.2016 / Gsch, Wim
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