Süddeutsche Zeitung

Schwabing:Würdigung eines Visionärs und Vordenkers

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Manfred Drum hat schon vor 40 Jahren Biodiversität und Ökologie in der Stadt forciert und maßgeblich den Ackermannbogen geprägt. Der Nachbarschaftsverein möchte ihm und seiner Frau den Platz im Quartier widmen

Von Ellen Draxel, Schwabing

Der Stadtplatz des Neubauquartiers am Ackermannbogen ist für Ortsunkundige schwer zu finden. Der Grund: Das Herz der Siedlung, so attraktiv es auch mit Brunnen, Ruhezone und Stadtacker gestaltet wurde, hat keinen Namen, kann also nicht per Suchmaschine oder mithilfe des Verzeichnisses in einem Stadtplan identifiziert werden. Geht es nach dem Nachbarschaftsverein Ackermannbogen e.V., soll sich das aber jetzt ändern. Der Wunschname des Vereins für die Quartiersmitte: Ingrid-und-Manfred-Drum-Platz. Der Vorschlag ist ein Bekenntnis. Das Ehepaar Drum, zu den ersten Bewohnern des Neubaugebiets zählend, hat ganz wesentlich dazu beigetragen, den Ackermannbogen zu dem zu machen, was er heute ist - eine urbane und zugleich grüne Oase, in der Nachbarschaft vorbildhaft funktioniert.

Insbesondere Manfred Drum war dabei der Visionär. Ende Februar ist der Architekt im Alter von 86 Jahren verstorben, neun Jahre nach seiner Frau, doch sein stadtgestalterisches Wirken lebt weiter. Bummelt man heute durch Schwabing, sieht man überall die Ergebnisse seiner Arbeit: grüne Hinterhöfe, bewachsene Fassaden, Radler, die durch die mit Bäumen bepflanzte Clemensstraße fahren, die als Teil der "Grünen Achse Schwabing" den Olympiapark mit dem Englischen Garten verbindet. Drum hat schon vor 40 Jahren Klimathemen wie Biodiversität und Ökologie in der Stadt gedacht und konzeptionell forciert - Leitlinien, für die er damals hin und wieder als lästiger Spinner belächelt wurde, die er aber beharrlich verfolgte. Inzwischen sind sie zu politischen Topthemen avanciert.

Dabei ging es dem für sein Engagement vielfach ausgezeichneten Vordenker immer um das Wohnumfeld. Er wollte Natur, Kultur und eine harmonische Nachbarschaft, die mitbestimmen und selbst kreativ werden kann, zu einer Einheit verbinden - stadtweit. Bereits als Student der TU München gründete er das Theater Spieldose, später den Seidlvilla-Verein und das Kulturbürgerhaus Seidlvilla. Es folgten die Aktionen "Grüne Gartenhöfe", "Grüne Wände" und "Bewohnergärten statt Abstandsgrün", dazu Gestaltungsprogramme für den öffentlichen Raum und die Entwicklung naturnaher Fuß-Radweg-Verbindungen. Die Hofflohmärkte, die im Sommer Schwabings Nachbarschaft aufleben lassen, sofern nicht gerade pandemiebedingte Einschränkungen herrschen, hat Manfred Drum mit initiiert.

Mit dem Verein "Urbanes Wohnen", den er 1973 mitbegründete, hat er zukunftsweisende Impulse angestoßen, durch unzählige Initiativen, durch Vorsprachen bei der Stadtverwaltung und der Politik, aber auch durch die Organisation von Foren wie den Wohnprojekttagen. Bei einem dieser Treffen des Vereins in den Räumen der Seidlvilla trafen sich im Jahr 2000 die Mitstreiter der späteren Wohnbaugenossenschaft Wagnis, zu deren Gründungsvätern Manfred Drum zählte. Dass Wagnis sein erstes Projekt dann am Ackermannbogen realisierte, kam der Siedlung sehr zugute. Denn Drum kannte sich aus in der Zusammenarbeit mit Institutionen und der Suche nach Fördertöpfen. "Ohne ihn", heißt es seitens des Ackermannbogen-Vereins, "gäbe es die Nachbarschaftsbörse, das Kulturbüro, die Kulturpassage und die Kreativgarage nicht. Er war deren wesentlicher Ideengeber und Wegbereiter, hat kreativ, visionär und mit der ihm eigenen Beharrlichkeit ihre bauliche und ideelle Umsetzung verfolgt, Finanzierungsquellen aufgetan und immer engagierte Mitstreiter gefunden." Manfred Drum selbst sagte 2013 in einem Interview, er fühle sich am Ackermannbogen "echt zu Hause". Die Vision, die das Team des Vereins Urbanes Wohnen hatte - hier sei sie "umgesetzt worden".

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SZ vom 04.03.2021
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