Süddeutsche Zeitung

Schwabing:Petition an den Kardinal

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Studenten wollen den Abriss ihres Wohnheims, des Johannes-Kollegs, nicht kampflos hinnehmen

Von Ellen Draxel, Schwabing

"Wir kämpfen an zwei Fronten", sagt Johannes Hochholzer. "Gegen den Auszug und, falls das nicht fruchtet, für Ersatzwohnraum." Der 21-Jährige studiert Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität, mit 111 anderen Studenten und Sprachschülern wohnt er im Johannes-Kolleg. Noch. Denn das jahrelang nicht renovierte Wohnheim für internationale Studenten soll im November abgerissen werden, bis Ende September müssen die Bewohner das Haus verlassen. Statt des Studentenwohnheims will die Erzdiözese München und Freising an der Hiltenspergerstraße Wohnungen bauen. Sie sollen "besonders auch kirchlichen Mitarbeitern wie Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen zur Verfügung gestellt werden", heißt es in einem Schreiben des Erzbischöflichen Ordinariats an den Westschwabinger Bezirksausschuss.

Die wegfallenden Wohnheimplätze, verspricht Thomas Hagen vom Ordinariat, würden "an anderer Stelle wieder aufgebaut". Außerdem konnte "aktuell allen Studierenden des Johanneskollegs, die sich an uns gewandt haben, eine Wohnalternative angeboten werden". Die Diözese suche Wohnheimplätze, bestätigt Hochholzer, "allerdings müssen wir uns bei den Wohnheimen direkt bewerben. Und die Zusagen erfolgen nur mündlich, das heißt, wir haben keine Garantie." Er weiß von einem Studenten aus dem syrischen Damaskus, der in einem anderen Studentenwohnheim angefragt hat und dort "sehr unfreundlich" behandelt wurde. "Man hat seinen Namen auf eine Warteliste gesetzt", kritisiert der Physik-Student. "Aber im Januar vielleicht einen Platz zu bekommen, nützt ihm nichts. Das ist nicht das, was uns versprochen wurde." Der Brief der Erzdiözese, rügt Bezirksausschuss-Chef Walter Klein (SPD), erscheine "schöner", als die Realität es zulasse.

Im Johannes-Kolleg, das derzeit dem katholischen Missionswerk Missio gehört, leben Menschen aus 43 Nationen, Ukrainer neben Russen, Studenten aus Nazareth neben Studenten aus Palästina, Gäste aus dem Kosovo, Syrien, Afrika, Asien. Einige der Bewohner sind Muslime, andere Juden, Hindus oder Buddhisten. Unter den Christen sind orthodoxe Gläubige und Anhänger von Freikirchen. "Im Johannes-Kolleg", sagt Leiterin Schwester Francesca, "wird Frieden gelernt und Frieden gelebt." Eine integrative Gemeinschaft, die im Falle eines Abrisses verloren ginge. Die Studenten haben eine Petition an Kardinal Reinhard Marx formuliert, das "Vorzeigeprojekt für Integration zu erhalten: Mehr als 5200 Unterstützer haben sie bereits.

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SZ vom 01.06.2015
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