Süddeutsche Zeitung

Flughafen:Willkommen in München, es ist Schienenersatzverkehr!

Lesezeit: 1 min

Der SEV vom Flughafen in die Stadt fühlt sich fast so an, als wäre man in die Dreharbeiten von Speed III geraten - nur dass der Bus dieses Mal nicht schneller als 50 km/h fahren darf.

Kolumne von Laura Kaufmann

Sinnigerweise werden Bauarbeiten an Schienen und Stammstrecken meist spätabends durchgeführt, wenn es sich der Großteil der Bewohner schon zuhause gemütlich gemacht hat. So nerven die Umstände weniger Menschen. Doch diejenigen, die dann trotzdem noch unterwegs sind, nervt es umso mehr, weil der Geduldsfaden mit zunehmender Müdigkeit kürzer wird. Erst recht, wenn sie gerade am Flughafen ihr Gepäck vom Band gewuchtet haben und den Eingang zur S-Bahn mit rot-weißem Absperrband geschmückt vorfinden, mit Hinweis auf Schienenersatzverkehr - willkommen daheim!

Im Bus - nach Laim fahre er, sagt der Fahrer, immerhin - rottet sich die Reisegemeinschaft zusammen, erledigt von den Strapazen, schwere Taschen neben sich. Der Bus fährt an, kurvt durch die Dunkelheit, über verlassene Straßen. Den Insassen dämmert, was dieser Schienenersatzverkehr wirklich bedeutet, als die Fahrt weitergeht, der Bus über Landstraßen die nächste Haltestelle im Norden anvisiert: eine endlose Tortur-Tour, bei der die Reise vom Flughafen in die Stadt länger dauert als so mancher Flug. Vielleicht ein Denkzettel für das Ruinieren der Klimabilanz, wer weiß. Fast sehnt man sich einen Transrapid herbei.

Smartphones werden gezückt, um nachzusehen, ob sich die Fahrt nicht mit einem Sprung in die S-Bahn irgendwo abkürzen ließe. Laut wird beratschlagt, die Schicksalsgemeinschaft wächst zusammen. Es ist, als wären alle unfreiwillig in den Dreharbeiten zu Speed III gelandet, einem Film, in dem der Bus diesmal nie über 50 Stundenkilometer fahren darf, aber durch einen kleinen Schönheitsfehler weder Keanu Reeves noch Sandra Bullock am Steuer sitzen.

Was soll's, geht's eben langsam, ist doch nett hier. Ein Paar, das mit dem letzten Flieger aus Portugal gelandet ist, schenkt einer alten Dame Pasteis de Nata, Blätterteig-Vanille-Törtchen aus Lissabon. Weit nach Mitternacht werden im Nirgendwo zwischen Lohhof und Ostbahnhof Reiseerlebnisse ausgetauscht. Und in Feldmoching fährt tatsächlich noch die U-Bahn. Fast schade, dass es nicht bis Laim dauern musste.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2019
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