Süddeutsche Zeitung

Laternenumzug:Rabimmel im Gewimmel

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Wenn Münchner Kinder zum St.-Martins-Umzug aufbrechen, müssen immer wieder Straßen gesperrt werden. Die Zahl der Teilnehmer entspricht nämlich schon mal einer halben "Ausspekuliert"-Demo.

Glosse von Sebastian Krass

Neu-Münchner, seid gewarnt! Es läuft grad wieder die Saison der St.-Martins-Umzüge. Wer dabei in seliger Erinnerung an einen Spaziergang um den Kirchplatz denkt, mit zwei Handvoll Kindern, die im Licht schummriger Laternen "Rabimmel-rabammel-rabumm-bumm-bumm" krähen, der ist hier noch längst nicht angekommen.

Denn es ist mit teils erheblichen Verkehrsbehinderungen zu rechnen, wenn sich mit Einbruch der Dunkelheit die Umzüge in Bewegung setzen, zum Beispiel am Dienstag von der Kirche St. Wolfgang aus. Ein Pflichttermin im Jahreskalender junger Haidhausen-Familien. Schon vor Wochen rätselten manche, an welchem Tag es denn dieses Jahr so weit sei - nicht dass das mit dem Lichterfest in der Kita kollidiert. Die Zahl der Martins-Umzügler entspricht dann ungefähr einer halben "Ausspekuliert"-Demo. Folgerichtig sperrt die Polizei nicht nur Wohn- und Einkaufsstraßen, sondern auch gleich die Rosenheimer Straße.

Wer als Ortsfremder oder gar kinderloser Haidhauser versucht, zu Fuß oder mit dem Rad durchs Getümmel zu kommen, erlebt die ganze Fülle familiärer Emotionen: Verzweifelte Eltern, die mit schreiendem Baby im Kinderwagen feststecken und versuchen, den verspäteten Partner herbeizutelefonieren. Und dann müssen sie auch noch den Erstgeborenen ausrufen. Der hat die Gunst der Stunde genutzt und ist ausgebüxt.

Zum Glück leuchtet eine Laterne heutzutage nicht mehr mit Teelicht, das liebevoll selbstgebastelte Exemplar hängt stattdessen an einer kinderfreundlichen Stange mit LED-Licht. Zwei, drei kräftige Schläge gegen einen Verteilerkasten, schon ist die Laterne entfernt, und das Kind hält ein Leuchtschwert in der Hand. Und so marodiert es mit seiner Kitabande durch Hauseingänge und hat einen Heidenspaß. Wundersamerweise finden am Ende doch alle wieder zusammen.

Und weil es so schön war, schieben sich in drei Wochen alle schon wieder gemeinsam über den Weihnachtsmarkt.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2018
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