Süddeutsche Zeitung

Musical "Rock of Ages" im Deutschen Theater:Endlich wieder lange Haare

Lesezeit: 2 min

Die 80er - ein Jahrzehnt, auf das man entweder mit Nostalgie oder Scham zurückblickt. Das Musical "Rock of Ages" schafft es, selbstironisch die Balance zwischen beiden Extremen zu halten.

Von Henriette Busch

Sunset Strip, L.A., irgendwann in den 80ern: Drew (Felix Freund), Laufbursche im Rock-Club "Bourbon Room", träumt vom Rockstar-Leben. Sherrie (Julia Taschler) aus Kansas ist neu in der Stadt, um - wer hätte es gedacht - Schauspielerin zu werden. Es entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die im Verlauf dieses Musicals gern mal vergessen wird und wohl nur deshalb vorhanden ist, "weil jedes gute Musical eine Liebesgeschichte hat", wie Lonny Barnett (Timothy Roller) dem Publikum in seiner Rolle als Erzähler mitteilt.

Im eigentlichen Zentrum steht der Kampf Kapitalismus gegen Subkultur, als ein schweizerisches Vater-Sohn Duo den Bürgermeister mit sehr viel Geld davon "überzeugt", am Sunset-Strip aufzuräumen und damit auch den "Bourbon Room" dem Erdboden gleich zu machen.

Die 80er sind mittlerweile auch schon 40 Jahre her. Je größer der zeitliche Abstand, desto stärker wird die Nostalgie für die Zeit von Rockmusik, für Lederklamotten, Neonschilder - und noch unbestraftem, alltäglichem Sexismus. Das alles wird in "Rock of Ages" so stark persifliert und zur Schau gestellt, dass man sich fast zurücksehnt. Aber auch nur fast. Darstellerisch, komödiantisch und gesanglich glänzen die schillernden Nebenrollen - Amanda Whitford als Stripclub-Chefin Justice, Timothy Roller als Lonny und Sascha Lien als Altrocker Stacee Jaxx. Die Stimmen der Hauptdarsteller Freund und Taschler schwächeln bei den rockigen Parts, ihr Stärken liegen eher in den Balladen wie "More than Words" von Extreme.

Die klassische raue Rockstimme ist nur Sascha Lien zueigen und macht seine Performance als Rockstar umso überzeugender. Ihren vollen Rock- wie Musicalglanz entfaltet die live gespielte Musik nur in den Sequenzen, in denen das Ensemble gemeinsam auf der Bühne singt und tanzt. Whitesnakes "Here I go again" wird so zum emotionalen Höhepunkt des ersten Akts - unterstützt durch den Einsatz von Jazz-Hands, die "immer funktionieren", wie Lonny aus dem Handbuch "Musical Theater" zitiert. Selbstironische oder popkulturelle Anspielungen wie diese sind es, die den Charme der Musicalpersiflage ausmachen und das zum Fremdschämen einladende Grundkonzept angenehm unterhaltsam machen.

Das Bühnenbild bleibt sehr statisch, Ortswechsel werden durch aufleuchtende Neonschilder verdeutlicht. Dennoch sorgt es für Dynamik, wenn sich bis zu drei parallele Handlungen gleichzeitig abspielen können. Die Regie schafft es allerdings nicht immer, die Blicke der Zuschauer mit Hilfe der Beleuchtung zu lenken - zu ablenkend sind insbesondere die Choreografie oder kleine humoristische Acts, wie ein Table-Dance des Bürgermeisters. Die kurzweilige Inszenierung von Regisseur Alex Balga endet, wie sie begonnen hat: mit dem Symbolbild eines langhaarigen, tätowierten Gitarristen in einem "Guns N' Roses"-Tank-Top.

Rock of Ages, bis 16. April, Deutsches Theater München , Schwanthalerstraße 13

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5785419
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.