Süddeutsche Zeitung

Rechnung:Anwalt verlangt 5500 Euro pro Stunde - Gericht gibt ihm recht

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Von Ekkehard Müller-Jentsch, München

Die persönliche Vorstellung, was richtig und falsch ist, wird in Gerichtssälen oft enttäuscht. Gerade die Zivilrechtsprechung hangelt sich manchmal nur haarscharf im Grenzbereich zwischen "geht gerade noch" und "geht gar nicht mehr" entlang.

So wie es jetzt das Oberlandesgericht München im Streit um ein exorbitantes Anwaltshonorar tut, das sogar die sonst im Umgang mit der eigenen Zunft eher großmütige Rechtsanwaltskammer München für "problematisch" hält.

Das OLG hat, ohne darüber zu verhandeln, das Schlusswort im jahrelangen Streit um ein Stundenhonorar von rund 5500 Euro gesprochen, das ein Münchner Anwalt von seinem Klienten verlangt. In erster Instanz vor dem Landgericht München I hatte der klagende Mandant zwar einen Teilerfolg errungen und muss demnach lediglich rund 15 500 statt der ursprünglich verlangten knapp 50 000 Euro bezahlen.

Das erschien ihm immer noch zu viel: In seiner Berufung wirft Klägeranwalt Norman Synek seinem Kollegen vor, für "horrende Kostenrechnungen berüchtigt" zu sein. Der Mandant haben nicht einmal ansatzweise erkennen können, welche Rechnung auf ihn zukommen würde. Die Honorarvereinbarung des Kollegen nannte er "eine intransparente Wundertüte" - der Anwalt habe seinen Mandanten "sehenden Auges in die Falle laufen" lassen.

Der 15. OLG-Senat hat jetzt per Hinweisbeschluss mitgeteilt, dass er die Berufung zurückzuweisen gedenke. Die Richter sagen zwar, dass die umstrittene Honorarvereinbarung "erkennbar auf eine Honorarmaximierung" angelegt sei. Doch ob das moralisch anstößig sei, hätten sie nicht zu entscheiden. Und auch nicht, ob der beklagte Advokat das Ansehen der Anwaltschaft schädige.

Nicht lügen bedeutet auch, nicht alles zu sagen

Das OLG erkennt zwar an, dass der beklagte Anwalt eine "objektiv ungewöhnliche" Klausel über sein Mindesthonorar verwendet habe - sie sei selbst dem Fachgutachten der Anwaltskammer zufolge "unüblich". Es sei aber dennoch keine überraschende Klausel, sagt der Senat. Denn es fehle am "Überraschungsmoment". Die Knackpunkte stehen nach Ansicht der Richter zwar nicht am Anfang, aber auch nicht irgendwo versteckt in dem Honorarvertrag.

Der Vertrag enthalte auch zahlreichen weitere Klauseln, die einen durchschnittlich aufmerksamen Leser sensibilisieren könnten, meint sinngemäß das OLG. Die tatsächliche Zielrichtung des Vertrags, nämlich eine "Honorarmaximierung", sei sogar überschaubar aufgelistet und gar nicht versteckt. Kein Anwalt sei verpflichtet, seine Mandanten ungefragt über die voraussichtliche Höhe der gesetzlichen Gebühren aufzuklären.

Auch nicht über den voraussichtlichen Zeitaufwand, falls doch nach Stunden abgerechnet werde. Und schon gar nicht, welche der beiden Abrechnungsmethoden teurer ausfalle. Selbst wenn der Anwalt in früheren Fällen zur Zufriedenheit seines Mandanten abgerechnet habe, dürfe der sich nicht auf seine bisher positiven Erfahrungen verlassen, meint das OLG.

Mit anderen Worten: Anwälte dürfen nicht lügen, aber sie müssen die Wahrheit auch nicht hervorheben.

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Quelle:
SZ vom 14.07.2016
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