Süddeutsche Zeitung

Rauschgift:Falsche Freiheit

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Andreas hat mit 15 Jahren begonnen, Gras zu rauchen. Dann kamen andere Drogen hinzu. Das Projekt FreD hilft ihm zurück ins Leben

Von Ana Maria Michel

2,1 Gramm. So viel Gras hatte Andreas Schmidt bei sich, als er aus der U-Bahn stieg und ihn die Polizisten zur Seite nahmen. Drei Monate ist das jetzt her. In der Zwischenzeit hat sich viel verändert für Andreas, der eigentlich anders heißt. Seinen richtigen Namen will er hier nicht lesen.

Für Jugendliche, die zum ersten Mal mit einer geringen Menge Cannabis erwischt werden, gibt es das Projekt FreD. Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten, dafür steht die Abkürzung. FreD ist ein Kooperationsprojekt von Polizei, Staatsanwaltschaft und Prop, einem Verein für Prävention, Jugendhilfe und Suchttherapie. Andreas ist in der Beratungsstelle an der Pettenkoferstraße gelandet, weil sein Verfahren gegen Auflage eingestellt wurde. Die Auflage war FreD.

Andreas ist 20 Jahre alt, angefangen hat alles vor fünf Jahren. Zuerst war es Gras, bald kamen andere Drogen hinzu. Psychoaktive Substanzen zum Beispiel, die als Badesalze verkauft werden und wie Amphetamine wirken. "Am Anfang war es nicht mein Ziel, durch die Drogen Probleme zu vergessen", sagt Andreas. Das kam erst später. Wenn Andreas etwas interessiert, will er alles darüber wissen.

Das war auch bei den Drogen so. Er wollte wissen, wie sie chemisch aufgebaut sind und was in seinem Körper passiert, wenn er sie nimmt. Irgendwann wurden die Drogen aber zur Gewohnheit. Bis vor Kurzem gab es keinen Tag, an dem Andreas nüchtern war.

Ob es anders gekommen wäre, wenn er in einer anderen Stadt aufgewachsen wäre, weiß Andreas nicht. Doch München ist für ihn ein Ort, an dem der Leistungsdruck sehr hoch ist. Der Druck geht von Eltern und Lehrern aus, er sorgt dafür, dass die Menschen zu gleichförmigen Robotern werden. Weil sie nie lernen, sie selbst zu sein. "Wenn man sich nicht in den richtigen Linien bewegt, wird man von der Gesellschaft geächtet", sagt Andreas. Das fängt schon bei der Kleidung an oder bei der Musik, die man hört. Bei Andreas war es Deutschrap. Keine gute Musik, fanden seine Lehrer.

Andreas glaubt nicht, dass es in anderen Großstädten anders ist. "Doch in München ist es noch etwas heftiger", sagt er. "Die Münchner haben ihren ganz eigenen Stolz." Dass junge Leute Drogen nehmen, sieht Andreas auch als Reaktion auf den Druck, als eine Form von Protest. "In den Drogenkreisen glauben alle, sie sind frei. Aber sie sind es nicht."

FreD ist nicht die erste Beratung, zu der Andreas geht. Du bist ein schlechter Teil der Gesellschaft. Du darfst keine Drogen nehmen: Das war die Botschaft, die er aus anderen Beratungsgesprächen mitnahm. Gewirkt hat das nicht. Bei FreD ist es anders, Andreas hat hier nicht das Gefühl, zu etwas gezwungen zu werden. "Hier wird man nicht denunziert, weil man Drogen nimmt", sagt er. Dazu kam noch etwas anderes. Bereits bevor ihn die Staatsanwältin zu FreD schickte, wollte Andreas aufhören. "Ich habe gemerkt, dass ich mich schlecht fühle, wenn ich Drogen nehme."

Bühnenpolka Improvisationstheater geboren vor fünf Jahren in München

. . . grad vieles richtig und entstaubt sich selbst.

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Die Augenringe sind weg, Andreas wirkt selbstbewusst, spricht strukturiert

Stefanie Uhl hat Andreas dabei geholfen, das zu erkennen und zu ändern. Sie ist Sozialpädagogin und arbeitet als Beraterin beim Projekt FreD. Der Andreas von heute hat für sie wenig mit dem Andreas zu tun, der vor ein paar Wochen zu ihr in die Beratung kam. Die Augenringe sind weg, er wirkt selbstbewusst, spricht strukturiert, kümmert sich um die Ausbildung, die er im nächsten Jahr anfangen will. Bis dahin will Andreas ganz mit dem Kiffen aufhören. Gras kauft er schon jetzt nicht mehr. Im Moment nimmt er mal einen Zug an einem Joint, aber mehr nicht. Eine krasse Leistung für jemanden, der bis vor Kurzem noch sieben bis zehn Joints täglich geraucht hat. Amphetamine nimmt Andreas gar nicht mehr. "Der Sport ist mein Ausgleich", sagt er. "Und ich fühle mich ziemlich gut dabei."

Andreas weiß noch nicht, ob er nach seiner Ausbildung in München bleiben will. Erst gestern hat er einen Mann gesehen, der im Park vor seinem Haus schlief. Die Polizei kam und schickte ihn weg. "Hier schiebt man die Probleme zur Seite, man will sie nicht sehen." Es ist wie in seinem Zimmer: Dort herrscht Chaos, sagt er, und er stopft einfach alles in die Schränke. Seitdem er weniger Drogen nimmt, ist Andreas ordentlicher. Dafür musste er sich mit seinen Problemen auseinandersetzen. Davon, dass man sie wegschiebt, verschwinden sie nicht.

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Quelle:
SZ vom 28.07.2016
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