Süddeutsche Zeitung

Rathaus München:Millionen-Panne im Bildungsreferat

Lesezeit: 3 min

Von Heiner Effern und Melanie Staudinger, München

Wegen mangelnder Kontrolle seiner Ausgaben gerät das Bildungsreferat bei den Münchner Stadträten erneut in Verruf. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat es bis Oktober bereits sein gesamtes Budget für Computer- und IT-Dienstleistungen aufgebraucht - ohne es zu bemerken.

Es sollte eigentlich bis Ende 2017 reichen. Erst als der Etat um knapp vier Millionen Euro überzogen war, kam bei einer Prüfung auf, dass die veranschlagten knapp 68 Millionen Euro bereits ausgegeben waren. Mit diesem Geld sollten alle Ausgaben für Computer und IT-Technik an Münchens Schulen und Kindertagesstätten von 2013 bis 2017 finanziert werden. Damit diese nun weiter arbeiten können, muss die Stadt bis zu 54 Millionen Euro nachschießen.

Die Folgen sind für Schulen schon spürbar

Es geht um 35 000 Computer, Drucker und andere Endgeräte sowie etwa 480 Server - im Referat selbst und in den Bildungseinrichtungen. Dazu schloss das Direktorium der Stadt vor vier Jahren nach einer europaweiten Ausschreibung einen Rahmenvertrag mit einem großen IT-Dienstleister über fünf Jahre.

Dass das Gesamtbudget mehr als zwei Jahre vor Ende der Laufzeit aufgebraucht ist, hatte bereits Folgen für die Schulen und Kindertagesstätten: In einem Schreiben vom 19. November, das der SZ vorliegt, machten sie das Bildungsreferat darauf aufmerksam, dass sie ohne einen neuen Stadtratsbeschluss nichts mehr bestellen könnten.

In seiner nicht-öffentlichen Sitzung am Mittwoch hat das Gremium nun das Volumen des Vertrags um maximal 54 Millionen Euro erhöht. Das entspricht 80 Prozent der bisherigen Summe. Mehr darf keinesfalls ausgegeben werden, weil die Stadt ansonsten in rechtliche Schwierigkeiten kommen könnte und den Auftrag erneut ausschreiben müsste. Das könnte das Schulreferat in Schwierigkeiten bringen: Bis solch ein Verfahren abgeschlossen ist, vergehen viele Monate, in denen die IT-Versorgung zum Erliegen kommen könnte.

Die Grünen sprechen von "Schlamperei"

Das Bildungsreferat hat sogar einen weit höheren finanziellen Mehrbedarf errechnet. Wie die SZ erfuhr, sollen deshalb zusätzliche Projekte für ungefähr 15 Millionen Euro aus dem Rahmenvertrag ausgegliedert und vom Stadtrat extra beschlossen werden. Das Bildungsreferat argumentiert intern, dass der Stadt kein finanzieller Schaden entstanden sei. Die Aufstockung des Rahmenvertrags erfolge aus rein rechtlichen Gründen. Die Stadtrats-Grünen haben gleichwohl beantragt, dass sich das städtische Revisionsamt der "Schlamperei" annimmt.

Dass das ursprüngliche Budget um insgesamt mehr als 100 Prozent überschritten wird, begründet das Referat mit der extrem schwierigen Planung des Bedarfs der IT in der Verwaltung, an Schulen oder Kindertagesstätten. Die ursprüngliche Zahl von knapp 68 Millionen Euro habe auf einer Schätzung beruht, für die ältere Verträge herangezogen worden seien.

In dem Brief an die Leiter der Schulen und Kindertagesstätten nennt das Referat weitere Gründe: Angeführt werden zum Beispiel die "demografische Entwicklung der Landeshauptstadt" und die deshalb nötige Schulbauoffensive sowie die sich immer schneller drehende Spirale der technischen Neuerungen im IT-Bereich. Nach SZ-Informationen kostet vor allem die Technik in den 83 stadteigenen Berufsschulen viel mehr Geld als vor vier Jahren gedacht. Für die Zukunft muss die Stadt mit noch höheren Summen rechnen: Denn die Schulbauoffensive hat erst begonnen, die allermeisten der geplanten Schulen sind weder gebaut noch eröffnet.

Das hätte früher auffallen können

Neben dem externen IT-Dienstleister betraute die Stadt gleichzeitig eine andere Firma damit, die Umsetzung des Rahmenvertrags zu überwachen. Dieser Auftrag lief zwar seit 2013, der erste Bericht des Controllers kam aber erst im September 2015 im Rathaus an. Dass man bemerkte, dass das Budget bereits aufgebraucht ist, hatte nach Angaben der Grünen auch damit zu tun, dass sich eine neue Mitarbeiterin die Zahlen einmal genauer anschaute.

Bei internen Prüfungen hätte dies freilich auch viel früher auffallen können. Das ist das Ergebnis einer Studie einer Unternehmensberatung. Sie hat jüngst das Zentrum für Informationstechnologie im Bildungsbereich unter die Lupe genommen, eine Abteilung des Schulreferats, die sich um alle Fragen zu Hard- und Software kümmert.

Dort soll die Unternehmensberatung dem Vernehmen nach erhebliche Lücken in der Kontrolle von Verträgen festgestellt haben. Die Untersuchung soll aber auch deutlich machen, dass das Bildungsreferat nicht geprasst hat. Dort liest man das Papier vielmehr so, dass die Ausstattung in den Münchner Schulen tendenziell eher Defizite aufweise.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2787315
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.12.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.