Süddeutsche Zeitung

Rathaus:Integration von Flüchtlingen: Reiter auf Grünen-Kurs

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Die Stimmung in der Stadt ist gereizter denn je, der Druck auf den OB wächst - nicht zuletzt wegen der Flüchtlingsfrage. Deshalb muss Reiter zwei Dinge tun.

Kommentar von Christian Krügel

Der Münchner Oberbürgermeister hält eine Grundsatzrede zur Flüchtlingspolitik der Stadt - es ist gewiss nur eine unglückliche Fügung des Terminkalenders, dass Dieter Reiter das nicht beim Neujahrsempfang seiner SPD tat (da war er im Urlaub), sondern bei der Stadtversammlung der Grünen. Oder doch nicht?

Der Auftritt beim Koalitionspartner von einst, den Reiter mit seinem Bündnis mit der CSU 2014 brüskiert hatte, war ein Heimspiel für den Oberbürgermeister. Mit seiner Vision eines Münchens, das auch unter dem Druck der Flüchtlingsdebatte weltoffen, tolerant und liberal bleibt, liegt Reiter voll auf Kurs der Grünen. Seine Worte sind Balsam auf deren Wunden von 2014. Grünen-Vorsitzender Hermann Brem drückt es so aus: Der OB repräsentiere eine "Stadtregierung, die wir uns so nicht gewünscht haben", aber auch eine Stadtgesellschaft, die Beispielhaftes in der Flüchtlingsarbeit geleistet habe. Der Subtext: Einer Zusammenarbeit mit diesem OB steht wenig im Wege.

Die Stimmung ist gereizt

Umgekehrt gilt das genauso. "Ich weiß die Grünen an meiner Seite, und das ist ganz wichtig", sagte Reiter unter dem Applaus der Stadtversammlung. Dahinter steckt wohl eine leidvolle Erkenntnis: Beim Thema Flüchtlinge kann sich der Oberbürgermeister auf die Grünen mehr verlassen als auf Teile seiner eigenen SPD-Fraktion, geschweige denn auf den Bündnispartner CSU.

Denn auch in München ist die Stimmung angespannter und gereizter denn je. Stammtischparolen werden gesellschaftsfähig, so mancher im Stadtrat dürfte sich dafür empfänglich zeigen und Reiters Linie infrage stellen. Der Druck auf den OB und die Stadtverwaltung wird also wachsen. Deshalb muss Reiter zwei Dinge tun: mit kühlem Kopf weiter pragmatisch Politik machen - und sich rechtzeitig genügend Freunde suchen.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2016
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