Süddeutsche Zeitung

Ramersdorf:Tauschen im Grünen

Lesezeit: 3 min

Die Firma Seebauer will ihr Areal an der Ottobrunner Straße in Ramersdorf erweitern und bis zu 50 Mitarbeiterwohnungen bauen. Ein Bolzplatz würde diesen Plänen zum Opfer fallen. Als Ersatz bietet das Unternehmen der Stadt ein anderes, großes Grundstück an

Von Hubert Grundner, Ramersdorf

Nur wenige Familienunternehmen können auf eine vergleichbare Traditionslinie zurückblicken: 1864 in Markt Schwaben gegründet und 1888 nach Ramersdorf umgezogen, versorgt die Gärtnerei Seebauer heute noch die Münchner mit allem rund um das Thema Pflanzen. Inzwischen liegt die Verantwortung für den Betrieb in fünfter Generation in den Händen von Bernhard Gerstenkorn. Der geschäftsführende Inhaber bereitet nun ein Projekt vor, das den Fortbestand des Familienunternehmens sichern soll: Er will das Gartencenter Seebauer, dessen Eingang an der Ottobrunner Straße 61 liegt, nach Osten bis zur Adam-Berg-Straße erweitern. Dort sollen dann hauptsächlich Mitarbeiterwohnungen entstehen.

Zuvor aber muss eine Einigung mit der Stadt erzielt werden, der die benötigten Flächen gehören. Dabei handelt es sich um den Bolzplatz, der von der Adam-Berg-Straße aus zugänglich ist, sowie den Spielplatz gleich hinter dem Seebauer-Parkhaus. Gerstenkorn hat der Stadt dafür ein fast 10 000 Quadratmeter großes Grundstück weiter nördlich angeboten, das sich von der Ottobrunner Straße 3 nach Osten hin erstreckt. Derzeit prüft das städtische Bewertungsamt, ob ein Grundstückstausch möglich ist.

Falls die Antwort der Stadt Ja lautet, würde Gerstenkorn auf dem Areal gerne einen U-förmigen Komplex entlang der Grundstücksgrenzen mit drei beziehungsweise vier Geschossen errichten lassen. Ebenerdig sollen Büros und Gewerbe einziehen, während in den darüber liegenden Stockwerken circa 40 bis 50 Mitarbeiterwohnungen entstehen würden. Gerstenkorn betont, dass es für seine Firma existenziell wichtig sei, günstige Wohnungen anbieten zu können, um überhaupt noch Mitarbeiter zu finden. "Wir werden uns für eins der städtischen Fördermodelle entscheiden", sagt der Geschäftsführer. Im Gegenzug muss die Firma für einen vereinbarten Zeitraum die Wohnungen günstig vermieten. Weiterer Vorteil für die Mieter: Sie müssen nicht befürchten, dass das Finanzamt sie wegen eines "geldwerten Vorteils" in die Pflicht nimmt. Wobei Seebauer für seine Mitarbeiter - in Spitzenzeiten sind das bis zu rund 150 Beschäftigte - aktuell bereits 40 eigene Wohnungen vorhält. Woraus Gerstenkorn seiner Familie aber auch eine soziale Verantwortung erwachsen sieht: "Einen langjährigen Mitarbeiter, der in Rente geht, den will ich nicht einfach rauswerfen. Das heißt, ich brauche Ersatzwohnungen."

Darüber hinaus ist geplant, das Parkhaus zu erweitern. In einem der Stockwerke würden dann Stellplätze für einen Teil der neuen Wohnungen zur Verfügung stehen. Deshalb und weil die Mitarbeiter zu Fuß in die Arbeit kommen, glaubt Gerstenkorn, werde sich das Verkehrsaufkommen in der Adam-Berg-Straße auch nicht besonders erhöhen. Auf dem Dach des Parkhauses würde er überdies einen Bolz- oder Basketballplatz errichten lassen. Dass eine solche Lösung von Kritikern nicht als adäquater Ersatz für den jetzigen Bolzplatz, der weichen müsste, gesehen wird, ist Gerstenkorn bewusst. Aber immerhin steht dieses Angebot. Außerdem weist er darauf hin, dass der jetzige Spielplatz kaum genutzt werde und im Wortsinn ein Schattendasein führe. Stattdessen will die Firma am Anfang der Adam-Berg-Straße einen neuen, für Kinder und Eltern viel attraktiveren Spielplatz anlegen. Dabei ließe sich auch eine schützenswerte, etwa 100-jährige Linde integrieren.

Überhaupt, so Gerstenkorn, ginge durch das Bauvorhaben kein Grün verloren: Der entstehende Innenhof werde selbstverständlich bepflanzt. Dort könnte mit einem Café oder einem Biergarten - mit vom Gartencenter unabhängigen Öffnungszeiten - für die Nachbarschaft ein Anziehungspunkt entstehen, wie es ihn in der Umgebung bislang kaum gibt.

Kritisch beäugt wird aber auch das "Gegenstück" des potenziellen Grundstückstauschs, der Grundstücksstreifen zwischen Ottobrunner Straße 3 sowie Kirche und Kindergarten von Verklärung Christi. So wurden Befürchtungen laut, dass sich die Firma Seebauer respektive Bernhard Gerstenkorn von der Stadt im Gegenzug Baurecht zusagen ließe. Tatsächlich bestätigt Gerstenkorn, den hinteren Teil des Grundstücks, also neben der Kirche, behalten zu wollen. Das habe auch damit zu tun, dass dort noch Bäume stehen, die sein Urgroßvater gepflanzt habe. "Ich hoffe, dass ich hier einmal für meine Familie ein Haus bauen kann. Aber das ist keine Bedingung für den Tausch", betont er ausdrücklich.

Und was hat die Stadt vor? Laut Ingo Trömer, Sprecher im Planungsreferat, soll im Bereich des Bebauungsplans 1638, für den bislang nur ein Aufstellungsbeschluss vorliegt, neu geplant werden. Allerdings fehle es dafür noch an der Mitwirkungsbereitschaft mehrerer Eigentümer. Sobald die besteht, könnte man einen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb starten. Gefragt nach dem Tauschgrundstück, sagt Trömer, dass die Stadt darauf Wohnvorhaben und soziale Infrastruktur verfolgen wolle. Vor allem aber eines dürfte besorgte Nachbarn freuen: Die Vorgaben des Flächennutzungsplans, zu denen gehört, dass Teile des Tauschgrundstücks als Grünzug ausgewiesen sind, wolle man auch in einen neuen Bebauungsplan übernehmen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4293960
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.01.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.